Schattenmacht
strömten schon früh herbei, um die Geburtstagsparade zu sehen. Um elf drängten sich bereits an die zweitausend Leute auf den Bürgersteigen, und jede Minute stiegen weitere aus ihren Autos. Dutzende Polizisten waren eingesetzt worden. In der Nacht zuvor hatte der Geheimdienst den Bereich abgesperrt, in dem der Festumzug stattfinden sollte. Während die Einwohner schliefen, hatten die Einsatzkräfte still und leise die gesamte Stadt durchsucht, Bombensuchhunde durch die Straßen geführt, Überwachungskameras installiert und alle Dächer und hochgelegenen Fenster notiert, die einem Scharfschützen Deckung boten.
Auburn bestand aus zwei sehr verschiedenen Hälften. Der moderne Teil war nichts Besonderes, nur ein paar Straßen, die aufeinander zuliefen und in denen die üblichen Geschäfte und Büros zu finden waren. Aber die Altstadt – wie sie allgemein genannt wurde – war fast perfekt erhalten, ein lebendiges Echo des neunzehnten Jahrhunderts und des Goldrausches, der die Stadt begründet hatte.
Die Altstadt lag am Fuß eines Hügels. An ihrem Ende teilte sich die Hauptstraße in zwei Richtungen, ähnlich einem Hufeisen, und in der Mitte war eine Art Marktplatz. Entlang der Straße standen Holz- und Steinhäuser sowie Geschäfte. Aber der ganze Stolz der Stadt waren die Gebäude auf dem Marktplatz. Das eine war das alte Postamt und das andere die alte Feuerwache, die mit ihrem spitzen Dach und den roten und weißen Streifen fast aussah wie ein riesiges Spielzeug.
Auburn hatte auch sein eigenes Gerichtsgebäude mit einer schimmernden Kuppel, das hoch über der Stadt thronte. In den Sommermonaten war die Hitze fast unerträglich, und dann erinnerte die Altstadt nicht mehr an ein Hufeisen, sondern eher an eine Bratpfanne. Aber vor langer Zeit hatte jemand hinter der Feuerwache eine Zeder gepflanzt, die jetzt wenigstens ein bisschen Schatten spendete.
Neben dieser Zeder stand die Statue von Claude Chana. Hier endete die Altstadt abrupt an einem Highway mit sechs Spuren, auf dem immer dichter Verkehr herrschte. Zwei Tankstellen lagen einander gegenüber, und dahinter war eine Eisenbahnbrücke. Das war es, was Jamie im Fernsehen gesehen hatte. Es würde ein heißer Tag werden.
Der Himmel war fast wolkenlos, und die vom Asphalt und den Schaufenstern reflektierte Sonne blendete. Vor dem Postamt war eine gewaltige Tribüne mit sechs Sitzreihen errichtet worden, die einen guten Blick auf den Hügel bot. Der Festzug würde von dort kommen. Er würde hinter dem Einkaufszentrum abbiegen, eine komplette Runde um die Altstadt machen und dann vor der Tribüne zum Stehen kommen. Dort war eine Plattform errichtet worden, auf der eine Reihe Mikrofone installiert waren sowie ein Extrabereich für die Presse. Der Bürgermeister würde John Trelawny in einer Ansprache willkommen heißen. Der Senator würde eine Rede halten, in der er dem Bürgermeister dankte. Dann war das Mittagessen geplant.
Überall waren Fahnen und Fähnchen – Hunderte von ihnen flatterten an Laternenpfählen, Straßenecken, Autos, Fahrrädern und Kinderwagen und natürlich auch auf der Kuppel des Gerichtsgebäudes. Über den Tribünen hing ein riesiges Banner, das alle, die den Hügel herunterkamen, gut sehen konnten.
AUBURN HEISST SENATOR TRELAWNY WILLKOMMEN.
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH, JOHN!
Und obwohl die Geschäfte an diesem Tag geschlossen waren, hingen in den Schaufenstern die Wahlplakate des Senators mit persönlichen Widmungen der Geschäftsinhaber:
JIMS SPIRITUOSENLADEN UNTERSTÜTZT
UNSEREN NÄCHSTEN PRÄSIDENTEN
und
DIE PLACER COUNTY BANK GRÜSST
JOHN TRELAWNY – SOHN UNSERER STADT.
Die einheimischen Würdenträger nahmen jetzt ihre Plätze auf der Tribüne ein. Die Frau des Bürgermeisters saß neben Grace Trelawny und ihren beiden Söhnen. Der Polizeichef und der Leiter der Feuerwehr hatten Plätze in der ersten Reihe. Sie waren beide in Uniform. Die Familien der Stadtväter waren eingeladen worden und außerdem alle, die John Trelawny in jungen Jahren gekannt hatten: sein Schuldirektor, die Lehrer, der Pfarrer, der Footballtrainer. Viertel vor zwölf waren alle Plätze besetzt – mit Ausnahme von zweien genau in der Mitte. Auf beiden lag ein Schildchen mit der Aufschrift RESERVIERT.
Absperrungen waren errichtet worden, um die Zuschauer zurückzuhalten, die jetzt in Fünfer- und Sechserreihen die Bürgersteige säumten. Ortspolizisten gingen am Straßenrand auf und ab und bellten gelegentlich Befehle in ihre
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