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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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nachdem sie ihren Sohn verloren hat, könnte ich es durchaus verstehen. Sie hat mir jedenfalls erzählt, dass dein Bruder Scott ebenfalls verschwunden ist. Dass er aus einem Theater in Reno entführt wurde. Stimmt das?«
    Jamie nickte. Er wusste, was jetzt kommen würde.
    »Alicia zufolge sind die Leute, die Scott entführt haben, möglicherweise dieselben, die auch für Daniels Verschwinden verantwortlich sind. Und sie sagt außerdem, dass sie auch an dir ein großes Interesse haben, weil du eine besondere Fähigkeit besitzt. Du kannst die Gedanken anderer Leute lesen. Meine Gedanken zum Beispiel.«
    »Entschuldige, Jamie«, murmelte Alicia.
    »Schon okay.« Jamie hatte bereits geahnt, was sie von ihm erwarteten, aber diesmal machte er sich keine Sorgen. Alles an Senator Trelawny, sogar die Art, wie er sprach, war ihm sympathisch. Er war nicht wie Colton Banes. Er lebte nicht in derselben Welt.
    »Ich versuche, allem gegenüber offen zu sein«, fuhr Trelawny fort. »Und ich bin der Erste, der zugibt, dass Dinge auf der Welt existieren, die nicht zu erklären sind. Aber das…« Er schüttelte zweifelnd den Kopf. »Es ließe sich jedoch einfach nachprüfen. Alicia hat vorgeschlagen, dass ich dich auf die Probe stelle. Ist dir das recht?«
    »Natürlich, Sir.« Jamie war bereit.
    »Also gut.« Trelawny deutete auf den niedrigen Tisch vor der Couch. In der Mitte lag ein schlichtes Holzkästchen, etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel. »Das ist ein Geschenk von meiner Frau«, erklärte er. »Ich nehme die kleine Dose auf all meine Reisen mit. Alicia weiß nicht, was darin ist. Ich habe es ihr nicht erzählt. Aber sie behauptet, dass du es mir sagen kannst.«
    Jamie konzentrierte sich kurz. Dann sah er Trelawny direkt in die Augen. »In der Dose ist nichts«, sagte er. »Sie ist leer.«
    Trelawny verzog keine Miene, aber Alicia spürte eine plötzliche Anspannung im Raum.
    »Ihre Frau hat sie gemacht«, fuhr Jamie fort. »Sie arbeitet gern mit Holz. Ihr Name ist Grace. Sie legen Dinge hinein, wenn Sie ins Bett gehen. Manschettenknöpfe und so etwas. Im Moment ist es schwer, mehr darüber zu sagen, weil Sie in Gedanken nur bei der Wahl sind. Es ist komisch…«
    »Sprich weiter.«
    »Nun, Sie haben wirklich Angst davor, die Wahl zu verlieren. Aber das Komische ist, dass Sie noch mehr Angst davor haben, sie zu gewinnen.«
    Es herrschte Schweigen. Trelawny stand so still da, dass er kaum Luft zu holen schien. Schließlich atmete er hörbar aus. »Du hast eine außerordentliche Begabung«, sagte er. »Ich vermute aber, dass du nicht allzu glücklich darüber bist. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie es sein muss, diese Fähigkeit zu besitzen.«
    »Ich benutze sie nicht«, entgegnete Jamie. »Und ich wäre auch froh, wenn ich sie nicht hätte.«
    »Außer mir hat nie jemand in dieses Kästchen gesehen«, sagte Trelawny. »Ich nehme es immer mit, wenn ich auf Reisen bin. Ich habe nie jemandem erzählt, wer es gemacht hat.« Er ging zum Tisch, nahm die kleine Box hoch, öffnete sie und zeigte sie Alicia. Sie war leer.
    »Alicia hat angeregt, dass ich die Nightrise Corporation genau unter die Lupe nehme«, sagte er. »Wie es der Zufall will, habe ich damit bereits angefangen.« Er nahm die Akte, die sein Mitarbeiter gebracht hatte, und schlug sie auf. »Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Ich werde euch ein wenig über sie berichten. Und dann werde ich erklären, warum ich zurzeit nichts gegen sie unternehmen kann.«
    Er setzte sich.
    »Ich glaube nicht, dass alle großen Konzerne automatisch schlecht sind«, begann er. »Aber Nightrise ist sehr groß und anscheinend auch noch stolz auf seine Schlechtigkeit. Das Problem in diesem Land ist, dass wir alle nur zu gern bereit sind, bei Verbrechen ein Auge zuzudrücken, wenn sie mit Geschäften zu tun haben. Eine Fabrik brennt ab, und zwanzig Arbeiter sterben. Ein Tank ist undicht und vergiftet einen ganzen Fluss. Ein Waffensystem wird ins Ausland verkauft und schließlich gegen amerikanische Soldaten eingesetzt. Niemand denkt sich etwas dabei, denn das einzig Wichtige ist der Profit. Profit ist der König. Diese großen Gesellschaften haben Zehntausende von Angestellten und machen Riesenprofite. Dafür lassen wir ihnen bis zum Mord alles durchgehen.
    Ich habe vor etwa sechs Monaten zum ersten Mal von Nightrise gehört.« Er zeigte Alicia und Jamie einen Zeitungsausschnitt. »Das hat mir ein Freund zugeschickt. Er dachte, dass mich die Geschichte eines zwölfjährigen

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