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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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passiert war. Plötzlich waren sie alle wach und schrien ihm aufmunternde Worte zu.
    »Viel Glück, Indianer!«
    »Lass dich nicht kleinkriegen!«
    »Bis bald, Indianer. Halt durch, Mann!«
    Die Einzelzellen waren durch eine schwere Stahltür vom Zellenblock getrennt. Jamie leistete keinen Widerstand. Er wurde in eine Zelle geworfen, die nur halb so groß war wie die, die er gerade verlassen hatte. In dieser Zelle gab es zwar eine Pritsche, aber keine Matratze. Und obwohl es ein Fenster gab, konnte er nicht einmal nach draußen sehen, denn es bestand aus einem schmalen Milchglasstreifen.
    »Mal sehen, wie du dich nach einer Woche hier drin fühlst«, sagte Koring. »Und in Zukunft sprichst du mich gefälligst mit Sir an.«
    Die Tür schlug zu.
    Jamie blieb zusammengekauert auf dem Boden liegen. Er hatte sich den Kopf an der Pritsche angeschlagen, als er gefallen war, und seine Nase blutete. Er war ganz allein. Und seine Kraft hatte ihn verlassen. War sie wirklich verschwunden, oder gab es in diesem Gefängnis etwas, von dem er nichts wusste? Vielleicht war es absichtlich in diesem Teil der Wüste gebaut worden. Vielleicht war etwas im Wasser oder in der Erde, das seinen Geist blockierte. Das machte Sinn. Wenn sie Kinder mit besonderen Fähigkeiten einsperrten, mussten sie dafür sorgen, diese Fähigkeiten unter Kontrolle zu halten.
    Irgendwann kroch er fast zögernd auf die Pritsche, rollte sich zusammen und schlief ein. Dann hatte er den zweiten Traum.
    Er wusste sofort, wo er war und war fast dankbar dafür, auch wenn ihm diese Traumwelt fast genauso fremd war wie Silent Creek. Vor ihm lag das Meer mit der Insel, und der Himmel war so leer und tot wie beim letzten Mal. Jamie wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte oder wieso er wieder hier gelandet war, aber irgendwie begriff er, dass es wichtig war. Er erinnerte sich an die beiden Jungen in dem Binsenboot und hielt nach ihnen Ausschau. Vielleicht konnten sie ihm wenigstens sagen, wo Scott war.
    Dicht am Wasser bewegte sich etwas, und Jamies Herz sank. Es war der Riese, dem er schon beim letzten Mal begegnet war. Er richtete sich gerade auf und kam auf ihn zu. Seine hohlen Augen starrten ihn aus dem grauen, gipsartigen Gesicht an. Der Mann hielt seine Schüssel in den Händen, aber wenigstens hatte er diesmal kein Messer dabei.
    »Er wird ihn umbringen«, sagte er.
    Jamie reagierte gereizt. »Das haben Sie letztes Mal auch schon behauptet«, rief er. »Aber wie kann ich verhindern, dass Scott getötet wird, wenn Sie mir nicht sagen, wo er ist?«
    »Nein, Junge. Du verstehst nicht…«
    Der Mann wollte weitersprechen, aber er bekam keine Gelegenheit dazu. Es blitzte. Nein – es war mehr als das. Es war, als hätten zwei riesige Hände das Universum gepackt und es zerrissen wie ein Stück Papier. Die ganze Welt – das Meer und der Himmel – wurde in zwei Teile gespalten. Jamie spürte, wie der Boden unter ihm bebte. Dieses Erdbeben war stärker als jedes andere, das die Welt je erlebt hatte. Alles wackelte – selbst Jamies Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander. Er wurde von den Füßen gerissen. Im Fallen versuchte er, einen Blick auf den Mann zu werfen, doch er war verschwunden. Zur gleichen Zeit hallte ein ohrenbetäubender Schrei durch die Welt, der nicht im Entferntesten menschlich klang. Jamie war plötzlich taub. Er klammerte sich an den Boden, der sich unter ihm wand, als litte er furchtbare Qualen.
    In den nächsten paar Sekunden tauchten irgendwelche Formen auf, die durch die Luft sausten – sie flogen oder fielen… er war sich nicht sicher. Es war, als hätte sich am anderen Ende des Universums ein riesiges Loch geöffnet, aus dem jetzt Flammen schlugen. Er glaubte, eine riesige Spinne zu sehen, ein Tier, das ihn an einen Affen erinnerte, und etwas, das aussah wie ein gigantischer Vogel… es war schwer zu sagen. Tausende von winzigen Punkten folgten ihnen, ein großer dunkler Schwarm davon, der sich in der Luft drehte und wand.
    Aber da war auch noch etwas anderes. Jamie spürte eine Schwärze näher kommen, etwas so Grauenhaftes, dass er nicht länger hinsehen konnte. Er kniff die Augen zu und presste sich dicht an den Boden. Das Meer war verschwunden. Das Wasser bewegte sich von der Küste weg, und der Wind heulte um ihn herum.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Doch hier gab es keine echte Zeit, und vielleicht hatte es auch nur eine Minute gedauert. Als der Sturm aufhörte und die Wellen zurückkamen, blieb er vollkommen erschöpft

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