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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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Zunächst ein vorsichtiges Abtaxieren, ein langsames Sich-aneinander-Gewöhnen. So lief das Spiel mit Spitzeln. Jeder behielt sich einen Rückzugsbereich offen und gab lange nicht alles von sich in den ersten Minuten preis. Jedoch dass die Bedingung ein überaus übel riechender Jutesack über dem Gesicht war, das war neu und ganz und gar nicht entsprechend der polizeidienstlichen Regeln. Diesen Begriff kannte Martin jedoch auch nur vom Hören-Sagen. Für ihn war entscheidend, dass ein Fall gelöst wurde, und nicht wie . Dass Mittel den Zweck heiligten, entsprach vollkommen seiner Devise, auch am Rande der Legalität.
    Nach unendlich scheinenden zwanzig Minuten in Dunkelheit hielt der grüne Wagen mit verwittertem Lack in einer unbewohnten Seitenstraße. Jerome öffnete die Tür, ging um den Wagen herum und befreite Martin. Er grinste breit, klopfte ihm auf die Schulter und benahm sich entspannt, unangepasst, lässig. Wie viele Gesichter und Persönlichkeiten dieser Mann haben mochte, konnte Martin nur erahnen. Vielleicht waren es auch einstudierte Rollen eines talentierten, aber stets unentdeckt gebliebenen Schauspielers. Was war Wirklichkeit, was war Show, was war echt, was war faul an diesem Meister der Verstellung? Wer, verdammt noch mal, war bloß dieser Jerome?
    Mit dieser Frage im Kopf verließ Martin den klapperigen, unscheinbaren Golf, riss sich den Sack vom Kopf, spuckte übel schmeckenden Speichel ins Gras und schüttelte den Kopf in Anbetracht seiner Unprofessionalität. Wortlos verließ er den Parkplatz und hörte die Stimme Jeromes hinter sich: »… und schön aufs Konto gucken heute Abend. Aber nicht gierig werden. Und immer dran denken: Nichts ist so, wie es scheint.«
    Martin wandte den Kopf halb um, weigerte sich aber, ihn tatsächlich anzusehen. Pah! Was sollte schon groß auf seinem Konto zu sehen sein. Zugegeben, er war ein wohlhabender Mann, seitdem er zum Verwalter eines millionenschweren Vermögens geworden war. Emilie Braun, gebürtige Hedwig Strocka, war im Alter von einundsiebzig Jahren zu einem stattlichen Erbe gekommen. Geld, das von einem hochkarätigen Nazi stammte, der sich als ihr Vater, ihr Erzeuger, entpuppt hatte. Potenter Zeugungshelfer, der Hitlers Aufruf nach einer arischen Züchtung nur allzu gern gefolgt war. Kriegsverbrecher, Mörder; nach dem Krieg Immobilienhändler, Devisenbeschaffer, Kunstmäzen, Alkoholiker im Alter. Hingerichtet von einem Killer im Auftrag eines Mannes, der ebenfalls unter Verarmungsängsten litt. Doch nun, nach einem aufsehenerregenden Prozess, in dem man die NS- Geschichte auf die Bühne der Öffentlichkeit zurückgezerrt hatte, wurde Emilie Braun das Erbe des Mannes zugesprochen, der ihr Vater gewesen war, jemand, der sie zu Lebzeiten nicht wollte, der sie lediglich gezeugt, ins Dasein katapultiert hatte. An der man, weil man sie für lebensunwert hielt, abscheuliche Experimente unter dem Eid des Hippokrates durchführte. Grausame Tests, die sie zum Reden bringen sollten. Sie, als man sie bei Kriegsende fand, ein Leben lang nicht wusste, wie man das Leben lebt, wie man sich gesellschaftskonform verhält und die schließlich in einer geschlossenen Anstalt ihre Freunde in den Büchern fand. Freunde, die sie für alle Entbehrungen entschädigten, die für sie alles andere als stumm waren. Sie sprachen mit ihr und sie sprach mit ihnen. Also hatte sie, bereits im Herbst ihres Lebens, nach dem Prozess das Geld angenommen in dem dumpfen Empfinden, es als eine Art Schmerzensgeld und Wiedergutmachung zu betrachten, obgleich sie nicht wusste, was man damit anstellen konnte. Sie kaufte einen kleinen, insolventen Buchladen in Lüneburg und rettete ihn so vor dem Verschwinden im Bauch eines gestreiften, bunten Wals, der von Land zu Land und von Stadt zu Stadt zog, um sich kleine Buchläden einzuverleiben. Dort saß sie nun in einem kuscheligen Lehnsessel und tat das, was sie schon immer getan hatte – lesen. Um ihr Vermögen brauchte sie sich keine Sorgen zu machen. Sie hatte Martin Pohlmann, den Mann, der sie unter Aufopferung seines eigenen Lebens aus den Klauen des Killers gerettet hatte, mit einer monatlichen Summe bedacht, die es ihm eigentlich ermöglicht hätte, nicht mehr arbeiten zu müssen. Doch ohne Arbeit war das Leben nutzlos, ob es allerdings diese Art von Arbeit unbedingt sein musste, das fragte sich Martin Pohlmann in diesem Moment zu Recht. Wieder war er scheinbar einem Psychopathen ins Netz gegangen und hatte den mit einem winkenden Gruß

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