Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
plötzlich, erleiden einen Herzinfarkt oder kommen auf andere Weise zu Tode. Ein geschmierter Arzt stellt den Totenschein aus und die Sache ist geritzt.«
Martin glaubte nicht, was er da hörte. Sein Freund, der Ex-Priester, outete sich als Mitglied der Bilderberger, jener Gruppe, die ins Fadenkreuz seiner Ermittlungen geraten waren.
Alois gähnte. Sein Gesicht wirkte fahl und eingefallen. »Du bist mir nicht böse, wenn wir das Gespräch für heute beenden? Ich bin sehr müde. Ich brauche viel Ruhe. Lass uns ein anderes Mal sprechen, okay?« Feldmann hatte Mühe, sich aus seinem tiefen Sessel zu erheben. Der sonst so agile Mann war in einem Zeitraum von wenigen Monaten in Martins Augen um 10 Jahre gealtert.
»Klar, logisch. Wir vertagen das. Sieh du erst mal zu, dass du wieder gesund wirst.« Martin kam Alois entgegen, griff unter seine linke Achsel und zog Feldmann in die Vertikale. Alois war ein alter Mann geworden und Martin wurde von einer Woge unendlichen Mitleids erfasst. Warum?, fuhr es ihm durch den Sinn. Warum kriegt ein Mann Gottes Krebs? Warum lässt man ihn nicht in Würde alt werden und eines Morgens, nach einem langen und erfüllten Leben, nicht mehr erwachen? Welches Siechtum hat er noch zu erwarten?
Alois begleitete Martin zur Tür. »Sei vorsichtig, mein Lieber. Nimm immer deine Waffe mit. Und sei diesem Jerome gegenüber nicht so gutgläubig. Manchmal denke ich, du bist viel zu naiv für einen Bullen.« Feldmann lachte, es strengte ihn an.
»Ich besuch dich bald wieder, okay? Und dann reden wir nicht über meine Fälle, sondern über deine Tour mit dem Wohnmobil. Ich helf dir, eine Route auszuarbeiten, einverstanden?«
»Ja, das klingt gut. Frankreich, Italien, die Schweiz. Das wär toll.«
Martin hob die Hand zum Abschied. Eine tiefe Traurigkeit befiel sein Gemüt und seine Raubeinigkeit schmolz dahin. Ja, er mochte Feldmann, das wusste er genau, und er hatte Angst, einen Freund zu verlieren.
Auf der Fahrt zurück nach Lüneburg ließ er diesen sonderbaren Tag Revue passieren. Irgendwie fühlte er sich einsam, obwohl er es eigentlich gar nicht war. Catherine wartete zu Hause auf ihn. Wieder einmal war es viel zu spät. Er sah auf die Uhr. 22 Uhr dreißig. Mist. Wie viele Tränen mochte sie schon wieder seinetwegen vergossen haben? Zweifelte sie bereits an ihrer Beziehung? Warum akzeptierte sie nicht einfach, mit wem sie da zusammen war? Ein Bulle hatte nun einmal keinen geregelten Dienst wie ein Postbeamter. Er konnte nicht hinter seiner Scheibe ein Schild aufstellen: › Vorübergehend geschlossen‹. Er hatte Gleitzeit, war immer und überall in irgendeiner Ermittlungsgeschichte involviert. Daran änderte auch nichts der Wechsel nach Salzhausen. Ein Ortswechsel, kein Charakterwechsel, kein Wechsel in unveränderlichen Ansichten.
Leise schloss er die Wohnungstür auf und schlich in seine Wohnung. Alles war dunkel. Er ging ins Bad, zog sich den Pyjama an, den Catherine auf dem Wannenrand für ihn deponiert hatte, und putzte sich die Zähne. Dann kam er zu Catherine. Ihr Bauch wölbte sich kugelig unter der Decke, ihre Augen waren geschlossen und sie rührte sich nicht. Plötzlich drehte sie sich zu ihm um und kuschelte sich in seine Arme. Da war er wieder: dieser süßliche Geruch nach Lavendel, nach Geborgenheit und Wärme.
»Ich mach mir Sorgen um dich«, sagte sie leise und ihre Stimme verriet, dass die Worte von Tränen begleitet waren, die sie vor ihm verbarg.
Er drehte sich zu ihr um und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Seine Lippen verharrten auf ihrer Haut. Noch immer fühlte er sich einsam, sonderbar verzweifelt und hilflos. Wo war er da hineingeraten? War er auf dem besten Wege, die kostbarste Beziehung, die er je hatte, aufs Spiel zu setzen? War er sich dessen bewusst, dass er bald Vater werden würde? Welche Werte würde er seinem Kind vermitteln wollen?
»Das brauchst du nicht. Es ist alles in Ordnung«, gab er ohne die Kraft wirklicher Überzeugung zurück. »Ich habe alles im Griff.«
Catherine wusste, wann Männer das sagten. Und zwar dann, wenn es sich nämlich genau andersherum verhielt. Sie erlagen der irrigen Ansicht, sie könnten die ganze Weltkugel auf einer Hand balancieren, könnten alles und jeden managen, nur sich selbst nicht. »Ich will nicht, dass dir etwas passiert. Ich freue mich auf unseren Sohn und das solltest du auch tun.«
Martin löste sich aus der Umarmung und richtete sich auf. In dem dunklen Schlafzimmer sah er auf ihre Konturen herunter. »Es
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