Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
die Bilderberger ausgedacht hast?«
»Das und noch vieles mehr.« Jerome rieb sich die Hände und blickte in die Ferne.
»Was kannst du noch? Du sagtest, die Schattenmächte benutzen die gleichen Techniken wie du. Inwiefern?«
Jerome lachte laut auf. »Haben wir endlich dein Interesse geweckt? Und? Glaubst du uns jetzt?«
»Wer? Uns?«
Jerome wiegelte ab. »Ach, das hab ich nur so gesagt.« Er setzte sich vor seine Tastatur. Im gleichen Moment sprang er wieder auf und verschwand aus dem Raum. »Bin gleich wieder da.«
Während sich Jerome die Nase mit einem weißen Pulver puderte, ließ Martin den Blick im Raum umherschweifen. Trotz der nun erwachsenen Zusammenarbeit, die auf gegenseitigem Vertrauen gegründet sein sollte, war Martin Pohlmann immer noch Bulle und somit ziemlich neugierig. Die Fenster waren wie beim letzten Mal dicht verhangen, es roch nach nichts außer nach Muff und Maschinen und kein Laut außer dem entfernten Schniefen von Jerome und dem Lüfter zweier Rechner drang an sein Ohr. Dann erschien Jerome. Er wankte leicht, rieb sich die Nase, war fröhlich und aufgedreht. Martin ahnte, was Jerome dort getrieben haben könnte, aber er wollte es gar nicht so genau wissen. Er war nicht beim Drogendezernat, und solange er Jerome nicht beim Dealen erwischte, drückte er beide Augen zu. Er fühlte sich nicht für alles und jeden verantwortlich.
Ohnehin hätte er sich spätestens an diesem Tag fragen müssen, inwieweit er noch innerhalb des polizeilich gesteckten Rahmens ermittelte. Ermittelte er überhaupt oder machte er sich zu Jeromes Spielkameraden, zu einem fanatischen Verfechter ›unterirdischer‹ Verschwörungstheorien? Hatten ihn der Sog und die Faszination dieses Mannes am Hals gepackt, ohne dass er es bemerkt hatte?
Jeromes Hände flogen über die Tastatur.
»Und? Was ist jetzt? Soll ich dich jetzt in die höheren Weihen des Netzes einführen oder nicht?«
»Klar.« Martin nickte und stellte sich hinter Jerome.
Jerome hatte alle Bildschirme gleichgeschaltet. Sie zeigten den leeren Flur vor seiner Haustür. »Okay, jetzt geht’s los. Fangen wir mit den einfachen Dingen an. Das Anzapfen von Überwachungskameras. Beginnen wir mit den Verkehrskameras.« Jerome rief verschiedene Seiten auf, die sich auf drei Monitoren verteilten. Nun sah man den Hamburger Bahnhofsvorplatz, eine Kreuzung in der Innenstadt, Mönckebergstraße, Ecke Alsterufer und den Eingang einer Hamburger Sparkasse. Drei Überwachungskameras.
Jerome entschied sich für die Kamera vor der Bank.
»Okay, pass auf«, begann er, Martins Aufmerksamkeit zu fesseln. »Was siehst du?«
Martin zuckte mit den Schultern. »Nichts Besonderes. Menschen, die in die Bank rein- oder rausgehen.«
»Stimmt. Picken wir uns einen von denen raus. Nehmen wir den jungen Typen mit der blauen Kappe. Siehst du ihn?« Jerome deutete mit dem Pfeil des Cursors auf einen Mann circa Mitte zwanzig. Jerome zoomte ihn heran, so dass man sein Gesicht sehen konnte. »Sieh ihn dir aufmerksam an. Das Erste, was auffällt, ist, dass er sich ständig auf der Lippe herumkaut. Solange er den Kopf gesenkt hat, kann ich sein Gesicht noch nicht vollständig erkennen, aber wie ich den Typen einschätze, wird er nach der Kamera Ausschau halten.«
»Was hat er vor? Will er die Bank ausrauben?«
Jerome lachte. »Nicht ganz so spektakulär. Ich schätze, er will seinen Dispo überziehen und denkt nicht im Traum daran, ihn zurückzuzahlen.«
»Wie kannst du das wissen?«
»Warte, … warte, … warte, … jetzt. Er sieht hoch. Bingo.« Jerome fror das Bild eines jungen Mannes mit Dreitagebart ein. Er trug eine Sonnenbrille mit hellblauen runden Gläsern. Trotzdem konnte man seine Augen noch gut erkennen. Der Mund war verschlossen und das Gesicht wirkte angespannt.
»Na bitte. Dann wollen wir mal sehen, wer du bist, mein Freund.« Jerome wandte sich Martin zu und wirbelte einmal den Kuli zwischen den Fingern. »Schuldig oder unschuldig, was meinst du?«
»Keine Ahnung. Sag du es mir.«
»Definitiv schuldig.«
»Sieht aber harmlos aus, der Typ.«
»Es ist nie so, wie es scheint, das müsstest du doch inzwischen kapiert haben. Okay, ich geb jetzt mal ein bisschen an. Wenn du mich fragst, ist das ein ängstlicher Blick. Er macht sich Sorgen, wie es weitergehen soll. Schätze, er hat mal wieder seinen Job verloren, kann die Miete bald nicht mehr bezahlen und ist also auf dem Weg zur Bank. Aber in seinen Augen ist auch etwas Verschlagenes, etwas Böses, etwas wie
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