Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
spielerischen Art, das Leben zu meistern. Ich indes hatte ein schweres Päckchen zu tragen. Als in einem Lebensbornheim geborenes Kind war ich auf der Suche nach meinen Wurzeln, rang um Anerkennung sowohl bei Menschen als auch bei Gott und war zu dieser Zeit ein leichtes Opfer, ja, ich möchte sagen, ich bin vom Teufel verführt worden. Er ist der Meister der Verwirrung. Der Diavolo, der Verwirrung stiftet. Die Jesuiten gaben mir die Anerkennung, nach der ich gehungert hatte, sie bauten mich auf, sie lobten mich für alle meine Dienste und zogen mich in ihren Bann. Und dann luden sie mich ein, mein Wissen und meine Erfahrung an stressgeplagte Manager weiterzugeben. Ja, es stimmt, ich hatte nie Mühe, vor Menschen zu sprechen. Ich kenne andere, die sterben fast den Heldentod auf einer Bühne, aber ich fühlte mich hinter einem Pult auf einem Podium stets ziemlich wohl. Ich begann, Vorträge zu halten über das Meistern von Lebenskrisen, obgleich ich selbst in einer steckte. Zu Anfang war es die pure Heuchelei. Ich redete über Dinge, von denen ich keine Ahnung hatte. Doch irgendwann begann ich, quasi zu mir selbst zu predigen. Während die Manager lauschten und ich sie ermutigte, baute ich mich selber mit auf.«
Alois trank den erkalteten Tee. Das Gespräch strengte ihn sichtlich an.
»Hey, das war doch toll, Managern Tipps zu geben, ihr Leben zu meistern. Ich sehe da, ehrlich gesagt, keinen Teufel hinter einem Busch vorspringen.«
Alois quittierte diese Bemerkung mit Gelassenheit.
»Das Problem daran war, dass ich über Dinge sprach, die sich eigentlich nicht mit meinem Verständnis von einem Leben mit Gott deckten. Die nichts mit biblischer Lehre gemein hatten. Ganz langsam war ich vom Pfad der Wahrheit abgewichen und hatte ein feines Konstrukt aus Lügen geschaffen, die aber trotzdem irgendwie nach Wahrheit klangen.«
Feldmann räkelte sich in seinem Sessel und wechselte die Sitzposition. Dann fuhr er fort. »Es hört sich doch viel besser an, dass du dich selbst durch deine Anstrengungen erlösen kannst, als abhängig zu sein von einem Erlöser, der schon alles für dich geregelt hat. Wir lieben es, zu Höchstleistungen angespornt zu werden, um anschließend die Anerkennung dafür einzuheimsen. Wir lieben die Unabhängigkeit, die größtmögliche Freiheit. Klar, wir haben nichts dagegen, an Gott zu glauben, aber wir möchten nicht, dass er sich in unser Leben einmischt. Wir möchten Gott einen guten Mann sein lassen, mehr aber auch nicht.«
Martin nickte leicht. Er musste bekennen, dass er die Sache mit dem Glauben genau so sah. Alois hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Alois fuhr fort.
»Ich bekam immer mehr Einladungen und wurde in den Siebzigern ein gern gesehener Gast auf Kongressen für Lebensfragen. Immer öfter saß ich Seite an Seite mit Referenten, die den Islam vertraten, den Hinduismus, den Buddhismus, bis hin zu schamanistischen Lehren. Naturreligionen und ihre Gottheiten wurden gleichgestellt mit dem Gott der Bibel und eh ich mich versah, fand ich mich wieder in einem Spinnennetz der Verallgemeinerungen. Gott war in jedem und in allem, bloß keine absoluten Wahrheitsansprüche stellen. Das wäre ja schließlich intolerant und diskriminierend gewesen. Einen klaren Standpunkt zu vertreten, der einen gewissen Absolutheitsanspruch stellte, wurde unpopulär. Ich wusste natürlich tief im Inneren, dass mich nur Jesus Christus erlösen kann, aber ich erzählte es nicht den anderen. Ich schämte mich zu sagen, dass nur Jesus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Ich traute mich nicht, denn ich war mir sicher, dass, wenn ich das sagen würde, man mich nicht mehr einladen würde. Ich setzte, nicht eingeladen zu werden, damit gleich, nicht geliebt zu sein. Und das wollte ich auf keinen Fall aufgeben. Ich war eine spirituelle Berühmtheit geworden, die zu jedem und allem was zu sagen hatte.«
»Du hast mir aber immer noch nicht erzählt, wie die Bilderberger von dir profitierten.«
»Na ja, das liegt doch auf der Hand. Nun hatte man mich so weit, dass ich den Jesuiten und ihren mächtigen Freunden aus der Hand fraß. Unbemerkt war ich in eine Abhängigkeit geraten, so wie es die Mafia macht. Ich erledige für dich einen Gefallen und danach schuldest du mir etwas. Das beherrschen die Bilderberger perfekt, im Kleinen wie im Großen. Sie schaffen Abhängigkeiten. Eine Beförderung jagte die nächste. Ich verdiente sehr viel Geld, viel mehr, als ich zum Leben brauchte. Ich kaufte mir Dinge, die wir
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