Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
identifizieren, wo immer sie sich aufhalten.«
»Wenn man will, kann man sich immer noch dem Zugriff durch wen auch immer entziehen. Ich brauche nicht unbedingt ein Handy. Ich könnte auch gut auf alle meine Kreditkarten verzichten. Back to The Roots. Das Leben würde eh viel einfacher werden.«
»Glaubst du das wirklich? Dafür ist es schon lange zu spät. Man würde dich nicht lassen. Klar könntest du dein Handy wegschmeißen. Handys sind sowieso Scheiße. Das Problem ist, SIM-Karten sind austauschbar. Handy- Akkus leeren sich mit der Zeit, sie können entfernt werden. Außer beim IPhone, dort sind sie fest eingebaut. Hast du dich mal gefragt, wieso?«
Martin schüttelte stumm den Kopf.
»Alles kann immer noch kaputt gehen. Zu unsicher und zu unzuverlässig. Besser wäre es also, wenn du dein Gerät gar nicht aus der Hand zu legen bräuchtest. Wenn etwas an dir oder besser noch, in dir installiert wäre, um dich orten zu können.«
Martin legte die Stirn in Falten. »Jetzt weiß ich, worauf du hinaus willst. Dieser Chip, der allen Bürgern implantiert werden soll.«
»Bingo. An der Stirn oder auf dem Handrücken. So ist es. Ein Mikrochip, den du beim Bezahlen nur in die Nähe der Kasse zu halten brauchst. Ein kleiner Speicher mit deinen Identifikationsdaten, den Verweisen auf all deine Eigenschaften, den hübschen und den schmutzigen. Einfach alles wäre darüber abrufbar. Dein Konsumverhalten, dein Surfverhalten im Internet, all deine Stärken und Schwächen. Programme sind heute in der Lage, dein Verhalten für die Zukunft zu berechnen, dich als potenziell gefährlich oder als harmlos einzustufen, aber diese Tools sind abhängig vom Input, von ihren Datenquellen, die sie füttern. Wenn diese Daten vorhanden sind, bist du automatisch analysierbar. Du bekommst eine Note. Eine Beobachtungsstufe. Zum Beispiel von eins bis zehn. Eins ist harmlos und zehn ist hochgradig gefährlich. Man würde dich rund um die Uhr bewachen können und praktisch jede Straftat erkennen, noch bevor du sie ausführst. Deshalb hab ich dir gezeigt, wie es ist, als ich dich für nur einen Tag beschattet habe. Die Web cam deiner Verlobten, Facebook, E-Mail, Skype, dein Handy, die Autonavigation, Notebooks mit Kamera, alle elektronischen Geräte, die Signale senden. Ein rund um den Globus gespanntes Netz, um sich dem bösen, bösen Terrorismus zur Wehr zu setzen.«
»Es gibt einen Haufen Orte, wo es kein Netz gibt. Wenn man clever ist, kann man sich dort verstecken.«
»Ja, träum weiter. Vielleicht noch ein oder zwei Jahre. Bald gibt es nicht nur das WWW, das World Wide Web, sondern das WWL, das World Wide Lan. Überall wird es paketorientierte Verbindungen geben. Ein über die ganze Erde gespanntes Netzwerk, wo man an jedem Ort der Welt, sei es in der Kalahariwüste oder in den Okavangosümpfen, online gehen kann. Und wenn dein Gerät das einen Moment lang nicht kann, gleicht es diesen Verlust durch eine nachträgliche Synchronisierung wieder aus und die Datenbank holt auf.«
Jerome hob die Hände wie ein Prediger und fügte seiner Stimme eine Prise Theatralik hinzu.
»Ist es nicht das, was wir uns alle wünschen? Hassen wir es nicht, in einem Funkloch festzustecken? Von unzuverlässigen Hotel-Wlan-Netzen und Hotspots abhängig zu sein? Umständliche Funk-Sticks, die nicht funktionieren? Und dafür auch noch bezahlen? Das WWL wird kostenlos sein. Es wird keinen Grund mehr geben, nicht online gehen zu können. Eine Mega-flatrate für jedermann an jedem Ort. Ist doch cool, oder? Überall Zugriff auf alles. Die virtuelle Realität und unsere Welt perfekt vereint. Und ganz nebenbei die optimale Ortung jedes Chipträgers, sei es Mensch, Köter oder Katze, meinetwegen auch Meerschweinchen, ganz egal.«
»Und wenn man sich den Chip nicht implantieren lassen will? Hey, man kann doch niemanden dazu zwingen.«
»Kann man wahrscheinlich mittelfristig tatsächlich nicht, aber warum würdest du es denn nicht wollen? Es wird dir so verkauft werden, dass du den Eindruck hättest, ohne den Chip im Mittelalter zu versinken. Du wärest abgeschnitten von allen Diensten, die dir das Leben versüßen. Kombiniert mit neuem Spielzeug, zum Beispiel der zukünftigen Datenbrille, mit vielen kleinen persuasiven Computern verbunden. Du steuerst Geräte, lässt dich mit anderen Personen verbinden, dir eine Land- oder Straßenkarte in dein Gesichtsfeld projizieren. Oder du nutzt Empfehlungen anderer für die Auswahl deiner Einkäufe. Und noch vieles mehr.
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