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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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wurde.«
    »Du wurdest was?« Martin drehte sich abrupt zu Jerome um.
    »Ich wurde vergiftet und in die Elbe gekippt. Was man nicht bedachte, war, dass ich durch, na sagen wir, regelmäßigen Medikamentengebrauch ein ziemlich dickes Fell habe. Ich bin gewissermaßen desensibilisiert. Ich trieb die ganze Nacht stromabwärts die Elbe herab, dümpelte an ein unzugängliches, schilfüberwuchertes Ufer und krabbelte an Land. Das war vor mehr als einem Jahr. Ich wusste natürlich, dass man mich aus dem Weg räumen wollte. Meine Leiche wurde nie gefunden, es gab ein Begräbnis ohne mich. Ich hab von Weitem zugesehen, einige Leute, vor allem ehemalige Kollegen, sind gekommen. Ich bin seitdem nie wieder aufgetaucht. Nicht unter meinem richtigen Namen und nie unter meinen Pseudonymen, die ich als Journalist verwendet hatte. Tja, und dann fand ich, dass es ganz gut wäre, wenn die Welt und vor allem meine Killer mein Ableben betrauerten. Ich konnte natürlich meine alten Freunde nicht behalten und einen Haufen Kontakte nicht mehr pflegen.«
    Jerome bedachte Martin mit einem sonderbaren Blick.
    »Für die Welt bin ich tot. Ein Scheißgefühl, sag ich dir. Man ist recht einsam, so als Geist, aber es hat auch Vorteile. Man darf mich nur nicht erwischen, das ist alles. Dann ist alles aus. Dann würde man mich wohl wegsperren, entweder in den Knast oder in die Klapse.«
    Martin betrachtete den Mann, der sich Jerome nannte, und erwog, wie viel Wahrheit in all dem steckte, was er zu hören bekommen hatte. Und doch tat er ihm leid. Ein Mensch, den es offiziell gar nicht mehr gibt . Kann es so etwas geben?, fragte er sich. Jemand, der durch alle sozialen Netze hindurchrutscht? Ein Nobody, den man für tot erklärt hat, der aber trotzdem noch existiert? Wie kann man überleben, wenn es einen offiziell gar nicht mehr gibt? Offensichtlich gelang es Jerome ganz gut, solange seine Tarnung nicht aufflog, und Martin hatte gemäß seines Bauchgefühls den Entschluss gefasst, dass er nicht derjenige sein wollte, der ihn auffliegen lassen wollte.
    Eine Entscheidung, deren Tragweite er erst später in seiner Ganzheit erkennen sollte.

Kapitel 26
    Juni 2011, Hamburg

    Reinhard Schöller befand sich in einer wichtigen Besprechung mit zehn Polizeibeamten. Er patrouillierte mit hinter dem Rücken verschränkten Armen auf und ab und referierte. Einer der Zuhörer war Werner Hartleib, dem die Sonderkommission ›Lohmeyer‹ unterstellt war. Obwohl Schöller alle Zügel in der Hand hielt, ließ er Hartleib jeden Tag in seinem Büro antanzen, gab Anweisungen, die diesen in ein enges Handlungskorsett spannten, und forderte jedes noch so kleine Detail der Untersuchung von ihm ein. Dass Schöller alles und jeden genauestens überwachte, war bekannt, doch diesmal überspannte er den Bogen nach Ansicht Hartleibs gewaltig. Die Vorgehensweise der Aufklärung wurde nach bekanntem Muster durchgezogen: detaillierte Untersuchung des Tatorts auf Spuren, Analyse des Sprengstoffs und seines Bezuges, Erstellung eines möglichen Täterprofils, Abklärung aller Motive, auch solcher, die nichts mit dem Amt als Verteidigungsminister zu tun hatten. Das Umfeld von Lohmeyer wurde genauestens beleuchtet, die Vergangenheit abgeklopft und Journalisten aus aller Welt belagerten das Haus seiner Witwe für ein Interview. Die Presse und die Öffentlichkeit verlangten nach Ermittlungsergebnissen. Man lieferte ihnen Terroristen, begonnen bei Altmeistern aus der Szene der RAF bis hin zu ausländischen Gruppierungen mit fadenscheinigen Motiven. Alles war willkommen, nur kein Stillschweigen.
    Alle Mitarbeiter Schöllers saßen um einen runden Tisch herum und das Thema, das allen am dringlichsten erschien, war natürlich: Wer hat den Verteidigungsminister wirklich getötet? Klar war, die Operation der Tötung Lohmeyers war bis in die kleinste Einzelheit geplant gewesen, daran hegte man nach bisherigen Ermittlungsergebnissen keinerlei Zweifel mehr. Keine Fingerabdrücke, keine unachtsam in der Umgebung verlorenen persönlichen Gegenstände irgendwelcher Täter, nicht einmal zertretene Zigarettenkippen, nichts. Das Warum konnte man erahnen, denn Lohmeyer hatte bereits in kleinem Rahmen, als einige Reporter ihn auf dem Treppenabsatz des Verteidigungsministeriums erwischten, vage Andeutungen über die Brisanz des Bio-Chips verlauten lassen, dessen Einführung unmittelbar bevorstand. Die Journalisten liebten kritische Stimmen und so bohrten sie nach und bedrängten Lohmeyer hartnäckig, bis ihm

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