Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
das Kind umbringen wollte, zumindest dies war ihm auch gelungen. Und dieser schwarzhaarige Widerling war nicht ihretwegen dort gewesen, sondern seinetwegen. Er war dort gewesen, um ihm zu zeigen, was die Macht der Schattenmacht bedeutete und dass es sich nicht lohnte, sich mit ihr anzulegen.
Vielleicht wollte Catherine auch deshalb nicht wach werden, weil sie ihn würde fragen müssen, in welch eine verdammte Scheiße er sie mit hineingerissen hatte, nur dass sie es so nicht formulieren würde. Sie würde fragen, warum er nicht auf sie gehört hatte, sie, die ihn angefleht hatte, die Finger davon zu lassen. Zu ermitteln, obwohl ihn niemand dazu autorisiert hatte, außer der Tote selbst in einem posthum zugestellten Brief.
Gegen zwei Uhr morgens verließ Martin das Krankenzimmer und teilte der Nachtschwester seine Handynummer mit, die sie tags und nachts benutzen dürfe, wenn Catherine aufwachen würde. Sie nickte müde und steckte sich die Karte in die Kitteltasche zu einem Kugelschreiber und dem Pieper.
Martin betrat seine Wohnung in Lüneburg und der große, mittlerweile braune Blutfleck brannte sich in seinen Blick. Dann, einem inneren Impuls folgend, ging er die Treppenstufen hoch. Was hat sie dort oben gemacht?, fragte er sich. Ein schneller Blick ins unbenutzte Gästezimmer, gleich danach ins Arbeitszimmer, wo er das Chaos erblickte. Offen stehende Schubladen und Türen des Schreibtischs und des Schrankes. Das war nicht Catherine gewesen. Sie waren da gewesen. Kein normaler Einbrecher, der auf Geld oder Schmuck aus war, sondern jemand, der wissen wollte, wie viel er wusste. Wie viel von dem, was Klaus Schöller wusste, und wie viel von dem, was die Bilderberger planten. Dann fiel ihm ein, dass Jerome während der Fahrt gesagt hatte, sie würden ihnen folgen. Martin hob den verwirrten Kopf und er realisierte, dass sie nicht Jerome gefolgt waren, sondern ihm. Sie hatten den Zeitpunkt abgepasst, an dem Catherine das Haus zum Einkaufen verließ, und wurden von ihr überrascht. Oder sie hatten absichtlich auf sie gewartet, um sie zu erschrecken, ein Zeichen zu hinterlassen, sie womöglich zu töten. Doch genauso gut hätten sie von ihm überrascht werden können, es sei denn, sie überwachten ihn tatsächlich auf Schritt und Tritt.
Die Gedanken überschlugen sich und Martin war sich sicher, dass er Profis an seinen Hacken hatte. Mit wem genau hatte er es hier zu tun? Jeder seiner nächsten Schritte müsste genau überlegt werden. Martin ballte die Fäuste. Nun war Schluss. Schluss mit Unbeschwertheit und Unbekümmertheit. Er würde Jerome und Werner anrufen, dass er ab sofort nicht mehr zur Verfügung stünde. Sollten sich die Idioten doch alle selbst in die Luft jagen, es war ihm egal.
Als er auf dem Bett lag, zogen ihn kräftige Klauen mit in unauslotbare Tiefen der Depression und peinigten ihn noch, als er mit feuchten Augen den Schlaf suchte. Von nun an würde der Polizeidienst endgültig auf ihn verzichten müssen. Seine Marke achtete er für einen Dreck.
Ein letzter Gedanke, an den er sich am Morgen nicht mehr erinnern würde.
Kapitel 28
Juni 2011, Lüneburg
Das Klingeln seines Handys weckte ihn.
»Krankenhaus Lüneburg. Schwester Margot hier, Sie baten darum, angerufen zu werden, wenn Ihre Frau wach geworden ist.«
»Verlobte«, knurrte Martin in den Hörer. Drei Stunden Schlaf, von Alpträumen begleitet, äußersten sich in der Schroffheit seiner Antworten.
»Ich komme.« Martin zog die Sachen vom Vortag wieder an und verließ unmittelbar danach das Haus. Der Weg war nicht weit und doch lang genug für kräftezehrende Gedanken. Welches Schwein hat ihr das angetan? Ich bring ihn um, wenn ich ihn erwische. Rachegefühle dominierten, keine Spur von Rückzug in die Sicherheitszone oder in die Vernunft. Es brannte in ihm, den Kerl zu finden, der seine Familie zerstört hatte. Selbst wenn er seine Marke ablegen müsste – was spielte das noch für eine Rolle – sein erstes Kind wurde Opfer eines Mannes, der sich überschätzt hatte, der ihn unterschätzt hatte. Schluss mit den Spielchen.
Als er den Parkplatz befuhr, bemächtigten sich seiner andere Empfindungen. Von einer Sekunde auf die nächste war er nicht mehr stark und selbstsicher. Etwas wie Angst kroch wie eine Spinne mit langen Beinchen an ihm empor, schlich in sein Gehirn. Angst davor, Catherine gegenüberzutreten, ihr zu gestehen, dass es seine Schuld war, dass ihr Sohn nicht mehr lebte.
Eine ihm wohlgesonnene Stimme ermutigte ihn:
Weitere Kostenlose Bücher