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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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dreiundzwanzig Uhr hockte er im Flur des Krankenhauses, stand auf, ging unruhig umher, setzte sich wieder und ließ die Tür zum OP-Bereich nicht aus den Augen.
    Um halb zwölf verließ der Leitende Stationsarzt den Intensiv-Bereich, zu dem der Zutritt für Besucher verboten war, und schlurfte auf Martin zu. Er lächelte nicht und seine Schritte waren auch nicht beschleunigt, etwa um Martin zu beglückwünschen und ihm zu sagen, dass alles in Ordnung sei.
    »Herr Pohlmann, Sie sind der Verlobte von Frau Bouchet, ist das richtig?«
    Martin nickte. »Nun reden Sie schon. Was ist los?«
    »Wir haben ein CT erstellt. Frau Bouchet hat einen Haarriss an der Schädelbasis, er ist direkt in der knöchernen Struktur am Wirbelansatz zu sehen. Zudem gibt es Anzeichen für eine schwere Gehirnerschütterung, das scheint bisher alles zu sein. Sie hat unglaubliches Glück gehabt. Ein paar Tage wird sie brauchen, aber sonst … Wir haben sie stabilisiert, die Vitalfunktionen sind gesichert, aber sie ist noch nicht aufgewacht. Die Hirnfunktionen scheinen unter den gegebenen Umständen normal zu sein, soweit man das nach einem solchen Schlag sagen kann. Ich denke, sie wird wieder, früher oder später.«
    Martin stöhnte erleichtert auf. »Gott sei Dank. Sie lebt.«
    »Ja«, bestätigte der Arzt, doch so, wie er es hervorbrachte, klang es nicht ermutigend, nicht freudig, eher gequält. Mit trauriger Stimme fuhr er fort:
    »Eine schlechte Nachricht habe ich trotzdem für Sie. Das Kind. Wir konnten es nicht retten. Es war schon nicht mehr am Leben, bevor der Notarzt bei Ihnen zu Hause eintraf. Die Operation verlief für Ihre Verlobte gut, aber Ihr Sohn hat den Sturz nicht überlebt. Wir mussten das Baby mit einem Kaiserschnitt entfernen.«
    Entfernen , hämmerte es Martin durch den Kopf. Was für ein widerliches Wort für das Bergen eines toten Kindes, auf dem ihrer beider Hoffnungen lagen.
    Das war der Punkt, an dem Martin nicht mehr Herr seiner Gefühle war. Er hätte sich bei dem Arzt bedanken sollen für dessen Bemühungen, doch der Schmerz brach aus ihm heraus wie eine Explosion. Er hielt sich die Hand vor den Mund und ließ allen Gefühlen freien Lauf. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und schluchzte hemmungslos. Sein erstes Kind, sein Sohn, und er hatte ihn verloren. Tot aus dem Mutterleib entfernt .
    Martin hob den Kopf, wischte sich die Augen trocken. »Kann … kann ich zu ihr?«
    »Sicher.« Der Arzt stand direkt vor ihm. Seine Augen waren gerötet und die Stoppeln an Wangen und Kinn ließen auf einen langen Dienst ohne Schlaf schließen. Vermutlich würde er die ganze Nacht Bereitschaft haben, dachte Martin flüchtig, am Rande der eigenen Sorgen.
    Der Arzt begleitete Martin zu Catherine.
    Monitore, Schläuche, Kabel, ein Mensch inmitten der Technik, die man Gott gleichsetzte und feststellte, dass diese Rechnung in den seltensten Fällen aufging. Ihr Kopf war verbunden, eine starke Schwellung an der Seite dominierte, diverse Schürfwunden an ihrem linken Bein, es lag verbunden unter der Decke. Man hatte ihre Kleidung durch ein krankenhaustypisches OP-Hemd ausgetauscht. Ihre braunen Haare waren mit einer Mischung aus Blut und Serum verklebt. Ein Hämatom mit blauen und violetten Schwellungen prangte an der linken Kopfseite. Vor allem, und diese Wahrheit schmerzte Martin am meisten, hatte Catherine einen sichtlich flacheren Bauch. Sie war nicht mehr schwanger. Sie würde nicht Mutter und er würde nicht Vater werden.
    Es ist nicht möglich, solchen Tatsachen angemessen zu begegnen. Es gibt keine zu beherzigenden Regeln für die emotionale Verarbeitung dieser Dinge und wohlmeinende Ratschläge greifen ins Leere.
    Nach der Zeit des Weinens setzte bei Martin die Phase der Trauer ein, der Verzweiflung, des Fragens und der Wut. Und er stellte sich die Frage des Wieso. Wieso ist sie die Treppe, die sie schon zig mal, sowohl mit Wäschekorb in den Armen als auch ohne, rauf- und runtergelaufen war, rücklings hinuntergestürzt? Wieso lag sie so merkwürdig da? Was hatte sie so erschreckt?
    Martin hielt ihre zarte Hand und hoffte, dass sie es spürte. Vielleicht aber wollte sie gar nicht aufwachen. Möglicherweise ahnte sie, dass sie, wenn sie aufwachen würde, sich einer bitteren Wahrheit stellen müsste. Dass sie ihr Kind, ihren Sohn, verloren hatte, und zwar nicht durch einen Unfall, wie Martin noch glaubte, sondern durch einen Wahnsinnigen, der ihr die Kehle durchschneiden und sie ausbluten lassen wollte. Der mit ihr zusammen

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