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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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unzählige Werbepost in den Müll geworfen, Rechnungen in die Jackeninnentasche gesteckt und die Heizung kontrolliert. Dann hatte er sie wieder verlassen und zwei Runden um den Block zu Fuß gemacht, bevor er in der Osterstraße in die U-Bahn gestiegen war. Er taxierte jedes ihm unbekannte Gesicht und davon gab es reichlich. Jeder hätte derjenige sein können, der ihn verfolgte, doch nach einer weiteren halben Stunde, in der er sich pausenlos umgeschaut hatte, war er sich sicher, inkognito in die Kunsthalle gehen zu können.
    Werner hatte sich ein wenig ›verkleidet‹. Er trug einen antiquierten Fotoapparat an einem Riemen vor der Brust, eine Hornbrille mit Gläsern ohne Stärken und hatte sich eine karierte Sportmütze aufgesetzt. Die Verkleidung wirkte auf jemanden, der ihn kannte, deutlich überzogen, doch wer ihn noch nie zuvor gesehen hatte, hielt ihn für einen Künstler oder einen Kunstinteressierten. Vor allem sollte ihn Renate Lohmeyer nicht wiedererkennen, ihn, der sie bei sich zu Hause zum Tod ihres Mannes befragt hatte und dem sie nur ausweichend geantwortet hatte. Nun sollte Martin sein Glück versuchen, und ob er es zugeben mochte oder nicht, es ärgerte Werner, dass sie Martin zurückgerufen hatte und nicht ihn.
    Werner postierte sich in einem Flur in Sichtweite von Martin, der ebenfalls durch die Halle streifte und nach einer Frau mittleren Alters mit einer roten Handtasche Ausschau hielt. Er fotografierte einige Bilder, zumindest tat er so, als ob und behielt Martin und die Umgebung im Auge.
    Punkt elf war niemand in der Halle zu sehen, der auf diese Beschreibung von Frau Lohmeyer gepasst hätte. Sie würde Perücke und Sonnenbrille tragen, dazu besagte rote Handtasche. Fünf Minuten nach elf machte Martin eine Geste der Ratlosigkeit in Werners Richtung. Er zuckte mit den Schultern und tippte mit dem Nagel des Zeigefingers auf das Glas seiner Uhr. Zehn Minuten nach elf begann er, sich ernsthaft Sorgen zu machen, ob die Witwe noch kommen würde. Vielleicht wurde sie beschattet, musste einen Umweg nehmen oder hatte es sich anders überlegt. Vielleicht dachte sie, dass es zu gefährlich sei, sich mit Martin zu treffen. Sie hatte eine Nacht über diese Entscheidung geschlafen und es für richtig erachtet, für sich und ihre Kinder die persönliche Sicherheit vorzuziehen.
    Fünfzehn Minuten nach elf begab sich Martin auf den Weg Richtung Ausgang, in der Vermutung, den Treffpunkt nicht deutlich genug benannt zu haben. Denkbar wäre, sie würden sich v or der Kunsthalle treffen wollen. In dem Moment sprach ihn eine Frau an, die er weder kannte noch mit der er irgendetwas zu tun haben wollte. Sie trug lange, über die Knie reichende schwarze Lackstiefel, einen zu kurzen pinkfarbenen Rock, eine schwarze Lederjacke mit Nieten. Ihre Haare, augenscheinlich unecht, waren gelb-blond wie das Fell eines Golden Retrievers. Die große Sonnenbrille ließ nur wenig von dem zu stark geschminkten Gesicht erkennen. Der Weg vom Straßenstrich war nicht weit, Martin fragte sich, seit wann sich Nutten für Kunst interessierten oder ob sie ihr Einzugsgebiet auf diesen Bereich ausgedehnt hatten.
    Sie stolzierte frech mit schwingenden Hüften zu ihm heran. Kaute auf einem Kaugummi und schaukelte die zum Rock passende Handtasche auf ihrem Unterarm. Neben ihm blieb sie stehen und griff in die Tasche. Sie zog einen Lippenstift hervor und drehte die Kappe ab. Sie sprach ihn an.
    »Warum sind Sie nicht allein gekommen? Brauchen Sie Verstärkung?« Kaugummikauend deutete sie auf Werner hin. »Der ist ja leichter zu erkennen als eine lärmende Schulklasse.«
    Martin erstarrte in seiner Bewegung. Er erkannte sie an ihrer Stimme und drehte sich zu ihr um. Julia Roberts in Pretty Woman, nur zehn Jahre älter, stand vor ihm.
    »Sie haben Ihr Outfit am Telefon anders beschrieben. Ich hätte Sie nie erkannt.«
    »Das war Sinn der Sache. Ich erkenne Sie, das reicht doch. Ihr Gesicht war ja oft genug in den Medien.« Sie machte eine Pause und drehte sich nach allen Seiten hin um. »Sind Sie sicher, dass Ihnen niemand gefolgt ist?«
    »Absolut.«
    »Gut.« Sie fuhr sich mit dem Lippenstift über die Lippen. Ihre Tarnung war perfekt. »Tut mir leid, das mit Ihrem Kind.« Sie drückte die Kappe des Lippenstiftes mit einem Klicken wieder auf und reichte den Stift Martin. Ihr Gesicht spiegelte Koketterie wider. Für alle eventuellen Kameras war sie die Prostituierte, die auf Freiersuche war. Ihren Kopf senkte sie beim Sprechen, sodass man nicht

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