Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
zu einem Berater in Lebensfragen geworden, zu einem Freund.
Martin hatte das letzte Mal selbst mit verschiedenen Blessuren in einer Uni-Klinik gelegen und Alois war es gewesen, der ihm Trost und Hoffnung gegeben hatte. Nun wollte er sich revanchieren und spürte doch eine gewisse Hilflosigkeit in sich aufsteigen. Er war nicht der geborene Hoffnungsspender, der aus einem großen Schatz an Weisheiten schöpfen konnte. In den letzten drei Jahren war er der Empfangende gewesen, der, der nach dem Tod von Sabine und seinem Burn-out Rat und Hilfe gebraucht hatte. Die Diagnose Darmkrebs ließ Martin schaudern und den kalten Schatten des Todes an seinem Nacken vorbeiwehen.
Kapitel 31
Juni 2011, Hamburg Harburg
Er parkte auf dem Besucherparkplatz, betrat das Krankenhaus und suchte nach jemandem, der ihm den Weg zu Alois Feldmann weisen könnte. Man verwies ihn auf die Abteilung Innere Medizin, speziell Gastroenterologie. Schlurfend fand er die Gänge und Flure, die er nicht ohne Mühe beschritt, und fand das Zimmer 307, hinter dessen Tür sich sein Freund befand.
Langsam drückte er die kalte Klinke herunter und schritt durch die Tür. Der Eintritt in ein Krankenzimmer bereitete ihm von jeher Magendrücken, so auch an diesem Tag.
Dort lag ein Mann, den er kaum wiedererkannte. Der graue Bart struppig, die letzten Haare wirr und fettig, die Wangen eingefallen. An den kantigen Schultern, deren Knochen sich unter dem Nachthemd abzeichneten, las er ab, wie viel Alois abgenommen haben musste. Martin hob die Hand und grüßte seinen alten Freund.
»Mensch, Alois, du machst ja Sachen.« Pohlmann zog den Besucherstuhl in die Nähe des Bettes.
»Schön, dass du da bist. Ich bekomme nicht mehr viel Besuch, weißt du. Eigentlich ist noch niemand gekommen und ich dachte mir, ich rufe mal an.«
Martin nickte und forschte in den in tiefen Höhlen liegenden Augen. Sie strahlten Güte und Liebe aus.
»Das hast du richtig gemacht. Ich sollte mich schämen, mich nicht schon eher gemeldet zu haben.«
Alois wiegelte ab. »Ach, ich weiß doch, wie viel du um die Ohren hast. Wie läuft es so bei dir?«
Da bemerkte Martin wieder, aus welchem Holz sein Freund geschnitzt war. Der, der die Hilfe augenscheinlich am nötigsten hatte, lenkte von seiner eigenen Situation ab und kümmerte sich um ihn.
»Na ja, es geht so. Ehrlich gesagt, beschissen. Catherine hat das Kind verloren.«
Feldmanns Traurigkeit gesellte sich zu seinem eigenen Schmerz hinzu. »Oh, Martin, das tut mir so leid. Sie war doch schon im …« Feldmann kratzte sich am Kopf.
»Im siebten Monat, ja. Es war keine Fehlgeburt im eigentlichen Sinn. Sie hatte einen Unfall.« Martin überlegte, wie sehr er seinen Freund belasten konnte in Anbetracht dessen, dass man eher wohltuende und aufbauende Worte zur Genesung hören wollte.
Doch Feldmann war ein emphatischer Mensch und spürte, dass Martin ihm nur die halbe Wahrheit erzählte. »Nur ein Unfall? Oder wurde nachgeholfen?«
»Mensch, Alois, ich bin nicht gekommen, um mich bei dir auszuheulen. Ich bin deinetwegen hier. Du wurdest schließlich operiert.«
»Ach was, ich bin auf dem Weg der Besserung. Wenn alles gut geht, wird man mir schon bald den Darm wieder zurückverlegen und dann habe ich es überstanden. Erzähl ruhig, was dich bedrückt. Ich habe mein ganzes Leben lang Menschen in Notlagen beraten. Das scheint mein Job hier auf der Erde zu sein.«
»Einmal Priester, immer Priester, was?«
»So ungefähr. Also los, raus mit der Sprache.«
Martin wand sich auf seinem Stuhl wie ein Schüler, der einen Streich bekennen musste. »Es wurde bei uns eingebrochen und man hat sie die Treppe hinuntergestoßen. Es war sehr knapp, sie selbst hat nur überlebt, weil ich sie rechtzeitig gefunden habe, aber das Kind war schon tot, als man sie einlieferte. Es muss einen zu starken Schlag bekommen haben.« Martins Stimme stockte. Er fügte hinzu: »Sie liegt im Krankenhaus in Lüneburg.«
Feldmanns Brauen verengten sich. Zorn war auf seinem Gesicht zu lesen. »Sind sie gekommen, weil sie diesen … diese Datenkarte gesucht haben? Ist man dir auf der Spur, Martin?«
»Ich vermute, dass es darum ging, ja. Vielleicht war es auch nur eine Drohung, damit ich mich raushalte. Ich weiß es nicht genau, aber die ganze Sache weitet sich mehr aus, als mir lieb ist. Gestern habe ich die Witwe von Verteidigungsminister Lohmeyer in einem Museum getroffen. Sie hatte diesen Ort vorgeschlagen, weil dort viele Menschen sind.« Martin lachte
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