Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
und horchte auf den Gang hinaus. Dann blickte er in beide Richtungen, bevor er ging.
»Tschüs!«, rief er dem Jungen zu und verschwand. Zurück zum Treppenhaus, die Treppen hinunter und im Erdgeschoss raus. Als er dort ankam, blickte er direkt in die Augen zweier Beamter, die nur auf ihn gewartet hatten. Er lief wieder los, seitlich durch eine Tür, Richtung Radiologie.
Die Männer reagierten spät, eilten ihm dann hinterher.
Durch verschiedene hellgrüne Türen gelangte er zu einem Trakt, der im hinteren Bereich liegen musste. Von der Decke hing ein Schild mit der Aufschrift ›Notaufnahme‹. Ein Pfeil wies nach links.
In dem Moment, als er abbiegen wollte, griff jemand nach seinem Arm.
»Kommissar Pohlmann?«
Martin erschrak heftig, blickte sich zu dem Mann um und schaute in Augen, die hinter meterdicken Brillengläsern verschollen lagen. Der Mann, augenscheinlich ein Arzt, trug einen Kittel und ein Stethoskop um den Hals. ›Dr. K. Pomnitz‹ stand auf dem Schild. Dann erkannte Martin den angeblichen Mediziner. Es war Jerome, der in der Eile ein halbwegs glaubhaftes Arzt-Outfit angelegt hatte. Jerome nahm ihn mit sich und führte ihn in einen winzigen Umkleideraum hinein, in dem sie eine halbe Minute warteten. Jerome legte einen Finger auf die Lippen und erstickte Martins Frage im Ansatz. Dann zog er ihn durch einen großen Raum, in dem eine halboffene Röhre über einem fahrbaren Tisch für die Computertomografie schwebte. Eine Assistentin bedachte die beiden mit einem fragenden Blick. Ein neuer Arzt? Sonderbar.
»Hier entlang, bitte«, sagte Jerome und grinste die Assistentin flirtend an.
Martin drehte sich nicht um, passierte nur diverse Röntgeneinrichtungen und wunderte sich aufs Neue über Jeromes Fähigkeiten.
Jerome riss im Vorbeigehen einen Kittel vom Haken und nahm einen grünen Haarschutz und einen Mundschutz von einem Tisch. »Hier, zieh das an.«
Martin schlüpfte in den zu engen Kittel und setzte sich das grüne Häubchen auf den Kopf. Die Haare hatte er zusammengerollt und unter die Haube gestopft. Damit und mit dem Mundschutz vor dem Gesicht sah er mehr als albern aus, doch ein Erkennen war nicht mehr zu befürchten. Er strebte mit Jerome dem Hinterausgang zu. Der grüne Golf parkte neben einem Krankenwagen. Sie blickten sich um, bevor sie einstiegen. Niemand war zu sehen, der ihnen verdächtig erschien. Martin war seinen Verfolgern tatsächlich entkommen. Der Wagen nahm an Fahrt auf und sie fuhren Richtung Hamburg.
»Danke, Jerome. Das war echt knapp. Aber woher wusstest du …? Ich meine, du konntest mich schneller orten als diese Typen. Wieso?«
»Ganz einfach. Ich habe dir, als du das letzte Mal in meiner Bude warst, einen RFID- Chip in die Klamotten gesteckt. Ich kenne die Frequenz des Chips und dann war es leicht.«
Martin war trotz seiner Rettung empört. »Das heißt, du hast mich die letzten Tage auf Schritt und Tritt beschattet.«
»Yap. Nicht ständig, aber prinzipiell ja, das hab ich. Und die anderen haben das auch gemacht. Ich hab es dir gleich schon bei unserem ersten Telefonat gesagt, bei dir zu Hause, aber du wolltest mir nicht glauben.«
»Scheiße. Ich kapier das alles nicht.«
»In den zwei Jahren, als du in Ecuador warst, hat sich die Welt verändert. Deine alte Abteilung ist völlig verseucht, und wenn ich mich nicht irre, ist dein Freund Werner einer der wenigen, die sie noch nicht eingewickelt haben.«
»Was ist mit Lorenz?«
»Na ja, den wohl auch nicht. Den haben sie ja schon auf andere Weise kaltgestellt. ’n paar Medikamente vertauscht. Oder glaubst du etwa, der hatte einen echten Herzinfarkt?«
»Allerdings, ja, das dachte ich.«
Jerome zuckte mit den Schultern. »Bist halt ein bisschen naiv. Kann man nicht ändern.«
»Wer? Wer macht so etwas?«
»Mann, du hast es immer noch nicht geschnallt. Der alte Schöller, wer sonst? Wie oft soll ich es dir noch sagen?«
Martin sah aus dem Fenster. Sie fuhren auf einer Brücke über die Elbe. »Wohin fahren wir?«
»Wir sind gleich da.«
»Heute keine stinkende Maske?«
»Schätze, das ist nicht mehr nötig.« Jerome sah zu Martin hin und lächelte ihn an. Dann reichte er ihm die Hand wie zum Gruß. »Freunde?«
Martin schlug ein und nickte.
Kapitel 32
Juni 2011, Hamburg
Jerome steuerte den Wagen in das Hafengebiet hinein und erreichte die Binneninsel Kleiner Grasbrook , wo er sich eine Art provisorische Bleibe eingerichtet hatte.
»Hier wohnst du?« Martin sah sich um und schüttelte den Kopf.
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