Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
»Ich habe beim ersten Mal versucht, mir die Fahrt einzuprägen, die Brücke, die Metallschwellen, die Geräusche, doch das hier … Ich hätte es nie gefunden.«
»Ich weiß. Ist ziemlich klasse, was? Kennt keine Sau. Hier bist du erst einmal sicher. Den Wagen kennt auch keiner und gechipt bin ich auch nicht.«
»Die Sache ist wirklich ernst mit diesen RFID-Chips, was?«
»Du hast echt keine Ahnung, was? Sieh in deiner Hose nach. Hinten rechts. Ich hab ihn dir auf einen Cent geklebt, damit wir ihn im Falle der Ortung schnell entsorgen können.«
Martin griff in seine Gesäßtasche und kramte eine kupferne Münze hervor. Ein Stück Plastik, halb so groß wie ein Cent-Stück, mit einer Spirale außen herum, klebte darauf.
Jerome nahm ihn an sich, ließ ihn auf den Boden fallen und zertrat ihn mit dem Hacken seiner Stiefel. Dann hob er ihn auf und warf ihn in einen rostigen braunen Container.
»Zu viel Metall drum herum. Nicht mehr zu orten, falls er noch nicht kaputt ist.«
Als sie oben in der Etage ankamen, die Jerome bewohnte, hielt er Martin am Arm zurück.
»Warte hier einen Moment«, betonte er kokett. »Ich muss ein wenig aufräumen, Süße.« Jerome grinste und ging allein hinein. Er ließ vor Martins Augen die Stahltür ins Schloss fallen. Die Kamera über Martins Kopf surrte in seine Richtung, als er zu ihr hochblickte. Sie wirkte wie ein schwarzer Vogel, der auf einem Ast hockte und zu ihm herabblickte.
Martin verschränkte die Arme und lehnte sich an die Wand. Es war sonderbar dunkel in dieser Etage und es roch nach fauligem Gemäuer, das feuchte Kälte in seine Knochen trieb. Zehn Minuten vergingen, die Martin entschieden zu lang und bösartig vorkamen, ehe Jerome ihm die Tür wieder öffnete.
»Hereinspaziert. Was mein ist, ist dein.« Jerome verbeugte sich wie nach einer Theateraufführung und vollzog mit seinem Arm eine einladende Geste.
Martin überschritt die Schwelle zu Jeromes ›Wohnung‹.
»Ich werde nicht lange hierbleiben müssen. Ich habe noch meine alte Wohnung in Hamburg.«
»Ach, und du meinst, das wüssten die nicht, oder wie?«
»Offiziell gilt sie als verkauft, doch der Deal ist nicht zustande gekommen. Eigentlich weiß keiner, dass ich sie noch hab …«
»Es wäre so leicht, dich zu finden, wenn man es wirklich wollte, doch bisher waren die Typen noch nicht dicht genug an dir dran, um dir ein paar Chips zu verpassen. Bisher hatten sie ja nur deine Handyortung. Es würde mich sogar nicht wundern, wenn deine Kollegen alle einen Chip im Gürtel oder in den Schuhen hätten. Du trägst ja nie Dienstkleidung, außer deiner Wumme.«
»Du spinnst.« Martin nahm einen stechenden Geruch wahr, anders als noch im Flur eben. Er dachte sich noch nichts dabei. Alte Häuser bargen nun einmal sonderbare Gerüche. Jerome warf den Arztkittel in eine Ecke und legte die dicke Hornbrille auf seinen mit Dokumenten überladenen Tisch.
»Als du in Ecuador warst, sollten in groß angelegtem Stil Zwangsimpfungen durchgeführt werden. Das hast du doch sicher auch in Ecuador mitbekommen, oder warst du dort dauernd stoned?«
Martin sah ihn fragend an.
»Scheiß Vogel- oder Schweinegrippe. Angeblich hochgradig gefährlich. In Wirklichkeit wollte man den Leuten einen Mikrochip implantieren, so klein, dass er durch eine Kanüle passt. Ist aber rechtzeitig aufgeflogen und sie konnten es nicht durchziehen.«
»Wie hat man es herausgefunden?«
»Tja, mein Lieber. Einer der Besten meiner Zunft hat es rausgekriegt. Ein Journalist mit Namen Paul Siegert. Schon mal von ihm gehört?«
Martin verneinte.
»Das war verdammt knapp damals. Niemand hätte es gemerkt und ich sage dir, in Zukunft wird man es genau so machen, wenn es nicht auf freiwilliger Ebene funktioniert.«
Martin setzte sich auf einen Stuhl in dem großen Raum, in dem sie bereits zweimal gehockt hatten. Er blickte sich um, lauschte in die Stille hinein. Francis war nicht zu sehen oder zu hören.
Jerome ging in einen Nachbarraum und kam mit einem kleinen Gerät zurück. »Steh noch mal auf und dreh dich um. Ich werde dich jetzt scannen. Und leg die Waffe ab, mit dem Halfter.«
Martin tat, wie ihm geheißen, schnallte den Gurt mit der Pistole ab und legte sie auf einen Tisch. Dann hob er die Arme wie bei einer Personenüberprüfung am Flughafen. Jerome ging um ihn herum und fuhr mit einem Scanner mit einer flachen Scheibe davor seinen Körper ab. Es fiepte an allen Metallteilen wie Jeansknöpfe und Brieftasche mit Geldmünzen. Das
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