Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
rutschen lassen.
»Er muss es erfahren. Ich muss ihn anrufen.«
»Alles zu seiner Zeit. Erst die Beweise, dann der Rest. Hartleib kann auf sich selbst aufpassen.«
»Okay, aber wie komme ich unbemerkt nach Prag, wenn ich überwacht werde?«
»Dafür habe ich schon gesorgt. Ich verpasse dir eine neue Identität. Du müsstest nur ein paar Federn lassen.«
Martin krauste die Stirn. »Heißt genau?«
»Haare und Schnurrbart ab.«
»Niemals. Nicht den Bart.«
»Mann, jetzt zick nicht rum. Wächst doch wieder nach.«
»Reicht es nicht, ihn zu trimmen? Den hab ich seit zwanzig Jahren.«
»Nein, reicht nicht.«
»Scheiße. Na ja. Eigentlich mochte ihn Catherine noch nie.«
»Na, siehst du. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt, aus dir einen attraktiven Mann zu machen. Ein paar Kilo weniger wären auch nicht schlecht, aber daran arbeiten wir später.«
»Wenn ich dich richtig verstehe, willst du mir mal so eben auf die Schnelle einen neuen Pass besorgen. Wie willst du das anstellen? Biometrische Daten, passende Fotos et cetera?«
»Das Beste ist, du fragst nicht so viel. Eines jedoch kann ich dir versichern. Meine Variante, mich zu verstecken und zu verstellen, ist nicht so kriminell wie die, die die Regierung anwendet. Ja, zugegeben, ich bin im Besitz einiger Personalausweise. Na und? Was ist schon dabei? Die Dinger gibt es zuhauf im Netz zu kriegen. Ich mache keine neuen Fotos von dir, sondern verwende ein vorhandenes, was dir am ähnlichsten sieht, und verwandle dich in diese Person. So einfach ist das. Zumindest war es das bisher. Die neuen Sicherheitsbestimmungen und die Chips werden das verhindern. Aber noch geht es eben.«
»Mann, das ist illegal.«
»Legal, illegal, scheißegal. Denk doch mal dran, was die mit dir machen. Ist das etwa legal?« Jerome hockte sich mit einer Pobacke auf die Schreibtischkante. »Definiere Legalität. Sich ans Gesetz zu halten, okay. Aber wenn die, die das Gesetz initiieren, sich selbst nicht im Entferntesten daran orientieren, sondern es nur dem dummen Bürger aufdrücken – wonach soll man sich dann noch richten? Deutschland, wo sind deine Vorbilder?«
»Entschuldige mal. Du redest gerade mit einem Bullen. Mit einem Vertreter des Gesetzes.« Martin unterstrich diese Aussage mit einer theatralischen Geste.
»Bullshit. Welches Gesetz vertrittst du denn? Das Grundgesetz, das von der eigenen Regierung ausgehebelt wird? Mach dich doch nicht lächerlich.«
»Trotzdem. Wenn jeder so dächte, hätten wir Anarchie.«
»Ja, genau. Das wäre auch nötig. Anarchie hieße, die Menschen würden aufwachen und gegen den Überwachungsstaat rebellieren. Die Bilderberger machen, was sie wollen, und geben einen Scheiß auf irgendein Gesetz. Sie machen sich noch nicht einmal die Mühe, ihre Morde schönzureden. Sie tun, was in ihren Augen getan werden muss, und genießen Immunität.«
»Hey, jetzt komm mal wieder runter. Für mich ist es nun einmal so, dass ich, bisher jedenfalls, den Bürger und das Gesetz geschützt habe.«
»Tja, dann musst du eben umdenken. Die Typen sind hinter dir her wegen einer Sache, mit der du nichts zu tun hast. Du bist unschuldig, aber nicht für sie und die werden sich nicht von deinem moralischen Gequatsche aufhalten lassen, dich aus dem Verkehr zu ziehen. Du weißt zu viel und stellst eine Gefahr dar, so wie ich. Die haben dir so viele Vergehen auf den Rechner geladen, dass es für zehn Jahre reicht, Minimum. Es sei denn, du bist clever, besorgst dir Beweise, dass du unschuldig bist und ein anderer für den ganzen Mist verantwortlich ist, und alles ist gut. Du musst die Sache jetzt selbst in die Hand nehmen. Es gibt im Moment keinen, der dich schützt, außer mir vielleicht noch.«
»Na schön, aber danach ist Schluss. Wir reisen zu Sokolow und dann gebe ich den ganzen Kram dem Staatsanwalt.«
»Na, meinetwegen. Ich hoffe, er wird nicht wissen wollen, wie du dir die Unterlagen beschafft hast.«
Jerome ging um seinen Schreibtisch herum, zog eine Schublade auf und nahm eine Kamera heraus.
Beinahe beiläufig fragte Martin: »Wie heißt du eigentlich mit richtigem Namen?«
Jerome hielt einen Augenblick lang inne. Er wog ab, wie viel jetzt noch passieren könne, und schätzte das Risiko als sehr gering ein.
»Frank Peter Reichstein.«
Der Name hallte in den Raum und echote in einem hinteren Winkel. Der Mann, der sich nur noch Jerome nannte, begann, mit der Kamera zu hantieren.
»Stell dich mal dahin. Da, hinter die Lampe.« Er zoomte das Gesicht
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