Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
und nutze Ihr eigenes System. Zum Beispiel die Web cam am Rechner, um Sie zu beobachten.«
»Aber der Rechner war aus.«
»War er nicht. Er war nur im Schlafmodus und er war nicht zugeklappt. Schlafende Computer sind wie Dornröschen, sie brauchen nur den richtigen Kuss.«
»Scheiße.« Martin warf sich zurück. Er glaubte nicht wirklich, was er da hörte.
Jerome fuhr fort. Ein Lächeln grenzenloser Überlegenheit umspielte seinen falschen Bart.
»Man kann alles benutzen. Ihr Smartphone, Ihren PC, drahtlose Heizungssteuerung, Ihr Telefon …, alles Mögliche. Wobei das mit dem Telefon schon etwas schwieriger ist. Meinetwegen auch das Notebook Ihres Nachbarn, wenn die Balkontüren offen stehen. Alles kein Ding.«
»Woher …? Ich meine, wieso können Sie das?«
»Ach, das meiste lernen Kids heute schon in der Schule. Die gebräuchlichsten Verschlüsselungscodes sind im Grunde sehr einfach aufgebaut. Kennt man einen, kennt man alle. Und kann man den Code nicht knacken, greift man die Implementierung an oder den Menschen, der die Codes benutzt.«
Martin schielte auf die Uhr. Der Anpfiff der Kicker war soeben erfolgt.
»Na schön, Sie sind offenbar ein grandioser Hacker. Was hat das jetzt mit mir und Klaus Schöller zu tun?«
»Schöller war nicht der, den Sie zu kennen glaubten. Er war einer von uns geworden. Zwar noch nicht lange, doch wir konnten ihn bekehren. Wir haben den günstigsten Zeitpunkt abgepasst, als er die Vorwürfe seines Alten nicht mehr aushalten konnte. Als er dann noch erfuhr, wer sein Vater wirklich war und welches Spielchen er tatsächlich spielt, machte er mit.«
»Wen meinen Sie mit wir ? Sind Sie schuld an seinem Tod?«
»Aber nein, wir doch nicht. Das Leben ist halt eins der gefährlichsten.«
»Was soll das heißen? Nun reden Sie nicht so geschwollen.«
»Ihr Freund war …«
»Er war nicht mein Freund,« ergänzte Martin trotzig.
»Mensch, nun machen Sie sich doch mal locker. Das weiß ich doch. Also, Klaus Schöller war einer unserer Informanten. Er ist gestorben, weil er zu viel wusste. Und jetzt haben Sie den Daten-Chip. Warum auch immer er ausgerechnet Sie ausgewählt hat, weiß ich nicht. Vielleicht hat er Sie bewundert oder sogar gemocht.«
»Ach, und jetzt bin ich der Nächste auf der Liste oder wie?«
»Denkbar. Und wenn Sie den Chip Hartleib geben, ist er es. Denen ist das ganz egal. Die töten jeden, der ihnen in die Quere kommt. Sie oder Schöller sind nur unbedeutende Nummern.«
»Die, die, die. Wer sind die , um Himmels willen?« Pohlmann zupfte das Gummiband im Nacken stramm und schüttelte den Kopf. Er fixierte Jerome und zögerte. Dann sprach er aus, wie er ehrlich empfand. »Wissen Sie was? Es reicht mir jetzt mit Ihnen. Ich hör mir Ihre albernen Verschwörungstheorien nicht länger an. Wenn Sie mir nicht sofort im Klartext sagen, was das alles soll, bin ich weg.«
»Das kann ich nicht. Noch nicht. Nicht, bevor ich Sie besser kenne. Bis jetzt haben Sie mich noch nicht überzeugt.«
»Okay, das war’s. Ich muss Sie von gar nichts überzeugen.«
Martin schob den Stuhl laut knatschend über den Boden.
»Passen Sie auf sich auf, Pohlmann. Sie haben Verantwortung. Sie werden bald Daddy.«
Martin hörte das Echo der Worte von Catherine aus Jeromes Mund und erstarrte. Wieder ein Moment, in dem er sich nach Ecuador zurücksehnte: Auf seine palmengesäumte Veranda mit Blick aufs Meer. Zu schade, dass er auch das versaut hatte. Dorthin gab es kein Zurück mehr und bei genauer Betrachtung wollte er es auch gar nicht. Nun hatte er Catherine und Nachwuchs war unterwegs. Ein neues Leben in Lüneburg. Nun allerdings auf sonderbare Weise mit einem psychopathischen Hacker verbunden, der seine Gespenstergeschichten in Martins Hirn vergraben wollte.
Martin wandte sich von Jerome ab.
Dieser hielt ihn am Arm fest. »Ach, und noch was. Lassen Sie Ihre Verlobte nicht die Fotos von den jungen hübschen Jungs und Mädchen auf ihrem Laptop finden. Sie fände das bestimmt nicht so lustig. Und Ihr Chef und die ganze Abteilung wahrscheinlich auch nicht. ’n Bulle und Kinderpornos? Das spricht sich schnell rum.«
Unter normalen Umständen wäre Martin sofort auf den Typen losgegangen, doch in diesem gut besuchten Lokal nahm er davon Abstand. Er hätte sich rechtfertigen müssen, warum der Franzose die Prügel verdient gehabt hätte. Es hätte zu viele Fragen und Nachforschungen gegeben. Außerdem war er zu verwirrt und wollte nur noch fliehen. Zurück nach Hause, in die
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