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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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wieder weg, häufig mit dem Geld der anderen. Er wechselte Städte wie andere den Brotaufstrich und suchte in verschiedenen Büchern nach dem Verursacher seiner ungewollten Existenz: Hamburger Kirchenbücher, Standesämter, Krankenhäuser, bis er feststellte, dass er an dieser Art der Suche Freude fand. Die Suche nach Verborgenem, Recherche in Abgründigem. Material sammeln zum eigenen Vorteil und Schaden anderer. Mit der Zeit entwickelte er eine Art triebgesteuerten Gerechtigkeitssinn, aus der eigenen Unzulänglichkeit heraus geboren, verfeinert, ins Pathologische getrieben. Also entschloss er sich, das Notwendige zu seinem Beruf zu erklären: Investigativer Journalismus sollte es sein. Mit zweiundzwanzig schrieb er sich in Berlin an der Universität ein, jobbte sich nachts durch diverse Parkhauswächterjobs, wo er für Klausuren lernen und die Füße hochlegen konnte. Natürlich schlief er dort auch, obwohl es verboten war, aber die Bezahlung war gut und auffliegen tat er nie. Zwei Jahre später, nachdem er in Berlin zu einer unerwünschten, schnorrenden Plage geworden war, zog es ihn zurück nach Hamburg. Dort schrieb er sich an der Uni ein und machte Fortschritte. Es berührte ihn nicht, als er erfuhr, dass sein Ziehvater an Leberzirrhose gestorben war und seine Ziehmutter mit sechzig unter beginnender Demenz litt. Gefragt hatten sie inzwischen nie nach ihrem Adoptivsohn. Er war weg – das war alles und Kindergeld gab es sowieso nicht mehr. Auch sie soff sich das Hirn weitere zwei Jahre später aus dem Leib und wurde neben ihrem Mann auf einem städtischen Friedhof begraben, in einem langweiligen Niemandsgrab, in einer Reihe neben dreißig anderen gleichartig aussehenden Gräbern, die von der Stadt, nicht von einem Nachkommen, in Ordnung gehalten wurden.
    Nun stand er wieder auf einem Friedhof, einem edlen, gut gepflegten, parkähnlichen Anwesen. Dennoch hasste er diese Orte, an denen die Toten mehr Zuwendung erhielten als manche Lebenden. Vielleicht schwitzte er deshalb so stark und nicht in Ermangelung seiner Drogen.
    Die Trauergäste schritten vor, falteten ihre Hände und gaben sich für eine Sekunde sinnierend, trauernd, Klaus gedenkend. Dann nahmen sie einer nach dem anderen das kleine Schippchen zur Hand und verbuddelten langsam, aber stetig Klaus Schöller, bis vom Sarg kaum noch etwas zu sehen war. Unter der Erde die Leiche und mit ihr die letzten verwertbaren Spuren eines todsicheren Verbrechens.
    Was niemand für möglich gehalten hätte: einen der Anwesenden freute dieser Umstand.
    Nachdem die meisten der Trauergäste ihr Schäufelchen geleert hatten, zogen sie im Gleichschritt mit bedächtigem Schweigen davon. Es sollte noch ein standesgemäßes Kaffeekränzchen in einem benachbarten Restaurant geben, wo jeder, der wollte, das Ansehen von Klaus verbal hochhalten konnte. Auch Kommissar Pohlmann, Werner Hartleib, Konrad Lorenz fanden sich dort ein, in einer weit hinten liegenden Ecke, wo der Polizeipräsident sie nicht sehen konnte. Bevor sie sich setzten und auf die Kellnerin warteten, spürte Martin Pohlmann seine übervolle Blase. In dem Gedränge stieß er Werner an der Schulter an.
    »Bin gleich wieder da. Ich muss mal.«
    »Wir sitzen da drüben, okay?«
    Martin nickte ihm zu und suchte den Wegweiser zu den Toiletten. Er senkte den Blick. Eigentlich wollte er niemandem begegnen, erst recht nicht dem Alten. Er schlängelte sich durch die Menge der Uniformierten und anderer Gäste und erntete gelegentlich seltsame Blicke.
    Nachdem er sich erleichtert hatte, atmete er tief durch, wusch sich die Hände und verließ die Toilette. Er war der Einzige, der sie gerade aufgesucht hatte, während eine kurze Ansprache gehalten wurde, die er verpasste.
    Niemand sonst begegnete ihm auf dem Gang, nur ein älterer Polizeibeamter in Uniform. Ein in die Jahre gekommener Typ mit grauem Schnurrbart und einer fürs Gesicht zu großen, runden Hornbrille kam direkt auf ihn. Seine Stirn glänzte sonderbar. Er fixierte ihn mit starrem, eigenartig jugendlichem Blick und machte keine Anstalten, ihm auszuweichen. Die linke Hand baumelte lässig an seiner Seite, die rechte hielt er in der Jackentasche, als verberge er dort etwas. Pohlmanns Alarmglocken läuteten, doch er hörte nicht auf sie. Das Schlimmste, was ihm hier hätte passieren können, war, dem Vater von Klaus zu begegnen, dem, dem er sich nicht auf fünfzig Meter zu nähern vorgenommen hatte. Doch man konnte nie davon ausgehen, sich an einem Ort zu wähnen, an

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