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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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kreative schriftstellerische Ergüsse gelassen worden. Die Gestaltung seiner Predigt war bis auf Punkt und Komma vorgegeben und vom Polizeipräsidenten abgesegnet. Einzig die Ton-und Stimmlage, die Intonation einzelner Passagen, besonders jener, in denen es von Lobhudelei nur so strotzte, überließ man ihm wollwollend zur freien Interpretation. Die edelsten Attribute, die einem Menschen posthum zugesprochen werden konnten, fanden ihren Weg in die Ohren der Zuhörer. Die, die Klaus Schöller kannten, wie er wirklich war, verdrehten verstohlen die Augen oder schlossen sie, verbargen den Kopf zwischen den Händen, auf die Knie gestützt, als hielten sie mühsam Tränen zurück. Die anderen, die ihn nicht kannten, bedauerten nun, dies nicht mehr nachholen zu können, und schüttelten fassungslos die Köpfe. Solch einen tollen Menschen nicht gekannt zu haben, ein Makel in der Biografie.
    Hinter dem Mann im Talar der aufgebahrte weiße Sarg mit schweren Messinggriffen. Auf dem verschlossenen Deckel ein großer Kranz von der Familie Schöller, davor, im Halbkreis angeordnet, viele überschwängliche florale Beileidsbekundungen. Nirgends ein schlechtes Wort über Klaus, nicht der Ansatz eines Hinweises, dass Klaus ein niederträchtiges Arschloch gewesen war, ein intriganter, von seinem Vater gepeinigter und zutiefst verunsicherter Junge, der aus dem Jenseits heraus sein jämmerliches irdisches Dasein beweinte. Unter dem Deckel, in der Dunkelheit des Sarges, lag ein Körper, der hätte erzählen können, wie er zu Tode gekommen war, den man aber nicht sprechen ließ. Dessen Lungen mehrfach punktiert worden waren und bezeugen könnten, dass Klaus Schöller tatsächlich ein durchtrainierter Kerl war, der niemals beim Joggen von der Brücke oder von einem Steg ausgerutscht wäre. Der nicht mal in der Nähe der Alster joggen gegangen war, der überhaupt nicht joggen gegangen war. Stattdessen mutmaßten ein Pathologe und dessen Freund, ein Polizist, dass er in feinem Zwirn in einem Pool, zappelnd und mit den Händen vergeblich rudernd, unter die Wasseroberfläche gedrückt worden war und das Zappeln erst abebbte, als ein tiefes Schnappen nach Luft das Chlor in jede Alveole der Lungen einbrannte. Dem man nach dem Ableben vielleicht den Anzug auszog, ihm billige Nike Klamotten Größe 52 statt wie passend 50 verpasste und grell gelbe Schuhe, die sich Klaus Schöller niemals selbst ausgesucht hätte. Der Anzug war vermutlich entsorgt und die Leiche gegen zwei Uhr dreiundzwanzig von der Krugkoppelbrücke gekippt worden.
    Der tragisch verunglückte Jogger Klaus Schöller – ein Jammer.
    In der Trauerhalle duftete es nun nach Bienenwachs und ein Rest der Weihrauchschwenkerei waberte noch in der Luft herum. Olfaktorische Überbleibsel von einer anderen Beerdigung eine Stunde zuvor.
    Nach der Predigt verließ die versammelte Trauergemeinde die Kapelle in gemäßigtem Schritt und folgte den Sargträgern zum Grab. Eine viel zu große Grünfläche war gewählt worden, fast einsam gelegen, den Toten keinen Kontakt zu Nachbarn pflegen lassend. Die Grube war frisch ausgehoben und in Windeseile hatten die Angestellten der Friedhofsgärtnerei alle Kränze und Sträuße standesgemäß um das finstere Loch herum drapiert. Erdiger Geruch stieg empor und schlich an den Nasenhärchen ins Gehirn vor. ›ENDSTATION!‹, echote es aus der Grube.
    Zwei weitere Ansprachen mussten die Trauergäste über sich ergehen lassen. Zum einen natürlich die bis in die Nacht ausgeklügelten Worte des mit glasigem Blick vor dem Grab stehenden Vaters und einige inhaltslose Worte des Vizepolizeipräsidenten. Worte wie ›äußerst beliebt bei den Kollegen‹ und ›äußerst engagiert‹ und ›äußerst erfolgreich‹ fielen . Bei Klaus war alles immer › äußerst‹ . Recht und Ordnung und der Umgang mit Menschen seien ihm äußerst wichtig gewesen.
    Hartmut Kraus stand in unmittelbarer Nähe der jüngeren Geliebten vom Alten. Er schlängelte sich zu ihr vor und in einem Moment der Unbedachtheit schaukelte sein Oberkörper vor, sodass seine Nase in ihrem blonden wallenden Haar schnuppern konnte. Moleküle feinster Essenzen, Geschenke des spendablen Geliebten, wehten engelflügelgleich durch die Luft. Einen guten Geschmack hat der Alte, dachte Hartmut Kraus, alias Jerome. Hat er gar nicht verdient, die Ratte.
    Nun hatte Hartmut Kraus Zeit, um in die Gesichter aller Anwesenden schauen zu können. In der Kapelle hatte er nur Rücken vor sich gehabt, jetzt standen

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