Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
war’n das noch? Sechs Mille im Monat?«
Martin nickte. Er fühlte sich beinahe schuldig, doch es bedeutete ihm nichts. Zahlen auf dem Konto, mehr war es für ihn nicht.
»Hast du die Akte von Schöller dabei?«
Werner griff in die Innentasche seines Sakkos, das er über die Stuhllehne gehängt hatte.
Die Kellnerin kam an den Tisch.
»Zwei Duckstein?«, sagte Werner und hielt zwei Finger wie ein Victoryzeichen in die Luft.
Sie nickte. Sogleich rauschte sie davon, zum nächsten Tisch, zur nächsten Bestellung.
Werner nahm die rot-weiße Speisekarte zur Hand. Am unteren Bildrand stand: ›Arkadasch bedeutet Freund‹. Er las es und blickte zu Martin hoch, dem ungewöhnlichsten Polizisten, den er kannte, der eher in eine Hippie-Kommune auf La Gomera passte statt in eine Uniform, die er eh nie trug.
»Ich nehm Adana Kebap. Ich brauch dringend was zum Verdünnen meines Bieres.« Werner betrachtete mit einem winzigen Hauch von Schuldgefühl das fast leere Glas.
» Ich nehm einen Mixed Teller. Alles drin und drauf, was ich mag.«
Die beiden Kommissare gaben ihre Bestellung auf. Für Minuten schwiegen sie wohltuend. Das Stimmengewirr der anderen drang an ihre Ohren. Jugendliches Gelächter vermischt mit ihren eigenen Erinnerungen an frühere Zeiten. Ausschweifende Erzählungen, Besteck-und Gläsergeklirre, menschliche, nicht an Grenzen der Nationalitäten gebundene versprühte Lebenslust.
Während Martin aß, blätterte er lustlos in dem Manuskript herum. Tatsächlich hatte auch er eine längere Zeit keinen Drang mehr verspürt, den Namen Schöller in sein Bewusstsein vordringen zu lassen. Er hatte zu viel Scherereien mit Klaus gehabt. Zu viel Missgunst und Neid hatten ihn bei seinem letzten Fall begleitet, den er gelöst hatte und Klaus eben nicht. Dann die Pressekampagne gegen ihn, Fehler in der Ermittlung wurden bekannt gegeben. Es zählte nicht mehr, dass ein Serienkiller nach vielen Morden das Zeitliche gesegnet hatte, sondern nur, wie es dazu gekommen war. Dass er als Polizist in mehreren Einzelheiten versagt hatte, dass er das Leben von Schutzbefohlenen aufs Spiel gesetzt und sich überdies hatte entführen und einkerkern lassen. Dass ihm dieser Mistkerl Wunden zugefügt hatte, die selbst nach Monaten noch bei Wetterwechsel ›Tiefdruck‹ schrien, zählte nicht, abgesehen von den Alpträumen, die ihn noch immer heimsuchten und ihn nicht schlafen ließen. In Salzhausen bei Lüneburg konnte er einen neuen Berufsabschnitt beginnen, versetzt in eine andere Abteilung, eine andere Geschwindigkeit, ein anderes Stresslevel. Keine Morde mehr, keine Toten am Fundort, keine fauligen Leichen in der Pathologie besuchen. Langeweile ja, aber irgendwie auch wohltuend, dies zumindest redete er sich ein.
Werner unterbrach die Funkstille zwischen ihnen.
»Hör zu. Ich bin hin-und hergerissen. Viel ist das nicht, was hier drinsteht, und eigentlich hab ich keine Lust, meinen Job zu verlieren. Wenn ich ernsthaft drüber nachdenke, ist es mir scheißegal, woran Klaus gestorben ist. Dieses Penthouse, die beiden Porsche im Keller. Der Kerl hat sich vermutlich gehörig die Finger schmutzig gemacht und ist dabei jemandem ein Dorn im Auge gewesen. Vielleicht hat er mit Drogen gedealt. Hat er nicht mal gekokst? Oder war das jemand anderes? Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls hat er mit dem Feuer gespielt und ist darin umgekommen.«
»Mann, hast du viele Phrasen drauf. Hat man dir die alle mal eingetrichtert früher, was?«
Die Kellnerin stellte zwei Gläser auf dem Tisch ab und machte bei Werner den zweiten Strich und bei Martin den ersten. Das Besteck legte sie zusammen mit zwei Servietten in die Mitte des Tisches.
»Das heißt, du willst kneifen?«, fragte Martin.
Werner beugte sich vor. Eine kleine Bierlache am Rand des Tisches benetzte sein weißes Hemd und breitete sich rasch in dem Stoff aus.
»Das ist nicht mein einziger Fall, wie du vielleicht weißt. Ich für meinen Teil langweile mich nicht.«
Martin hob die Hände, als würde er sich ergeben. »Hey, mal nicht so feindselig. Ich versteh dich ja.«
»Allein diese Recherche hat mich gehörig schwitzen lassen. Als Gabi den Stapel nebenan aus dem Drucker holte, staunte sie nicht schlecht. Fünfzig Seiten über Reinhard Schöller, sie wollte nachfragen, aber ich glaube, mein Blick hat ihr gereicht. Ihr blieb die Frage im Hals stecken.«
»Du machst dich ja richtig beliebt. Ich seh’ schon, ich fehle euch.«
»Wenigstens Lorenz geht es besser. Er ist hungrig nach so
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