Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
in den nächsten Wochen einen steilen Anstieg verzeichnen würden. Drei Energiewerte, zwei Bankaktien und zwei Technologietitel. Sein Gefühl sagte ihm, diesmal würde es garantiert klappen, nichts würde schiefgehen, doch er unterschätzte den Einfluss des Kokains auf sein Gehirn. Es teleportierte ihn in eine andere Welt, jene Welt, in der er noch etwas galt, wo er unbesiegbar, dynamisch und kreativ war. Wo er sich allem gewachsen fühlte, auch seinen eigenen Unzulänglichkeiten, Sehnsüchten und längst erloschenen Träumen.
Er loggte sich wieder aus, lehnte sich zufrieden zurück und war sich sicher, die richtigen Deals gemacht zu haben.
*
»So, und heute Abend willst du tatsächlich den Bullen hierherholen?«
»Klar, wieso nicht. Ich mach’s auf die übliche Weise. Der Köder wird so fett sein, dass er nicht widerstehen kann.« Jerome stand auf und ging im Raum umher.
»Hältst du ihn für so bescheuert?«
»Yap.«
»Und dann? Willst du ihm etwa alles zeigen, was du schon hast?«
»Ach was. Er kriegt nur das, was er für den nächsten Schritt braucht. Häppchen für Häppchen.«
»Und wenn man dahinterkommt, wer du wirklich bist?«
»Das passiert nie. Er wird mein Schutzschild sein. Er wird sich die Finger verbrennen, nicht ich. Ich komm am Ende groß raus, wirst sehen.«
»Und dieser Werner?«
»Macht mir keine Sorgen. Hat mit Lohmeyer genug um die Ohren. Hat sowieso schon Fracksausen. Hat endlich die Fotos unterm Schreibtisch von Klaus gefunden. Wurde auch echt mal Zeit. Jetzt kommt die Sache ins Rollen. Dauert nicht mehr lange, dann kommt meine große Stunde.«
*
Ausnahmsweise pünktlich um 16 Uhr stand Martin am vereinbarten Treffpunkt vor dem Rathaus. Er war ungewöhnlich nervös, nicht abgebrüht und cool. Nicht wissend, wie lange das Treffen mit Jerome dauern würde, hatte er Catherine erzählt, er müsse länger auf der Wache bleiben. Die dritte Lüge im Zusammenhang mit einem Fall, von dem Martin behauptete, er habe rein gar nichts damit zu tun.
Doch seine Absichten ihr gegenüber waren durchaus edelmütig. Zu einem großen Teil jedenfalls. Er wollte sie schützen, sie sollte eine stressfreie Vorbereitung auf ihre Niederkunft erleben und sich auf gar keinen Fall aufregen. Auch für ihn war es so besser. Keine überflüssigen Fragen, keine notwendigen Antworten. Ein nettes Nebeneinander statt ein notwendiges Miteinander. Er hoffte, dass es auf diese Weise weniger Probleme geben würde.
Dass diese Kalkulation nicht aufgehen würde, zeigte sich schon kurze Zeit später.
Ein grüner, in die Jahre gekommener Golf hielt zwei Minuten nach vier am Bordsteinrand. Der beginnende Feierabendverkehr setzte ein, wobei diese Version in Lüneburg nur die verschlafene Schwester des größeren Bruders Hamburg war. Hier ging alles deutlich gemütlicher zu, beschaulicher.
Zuverlässig war er ja, das musste Martin ihm lassen. Jerome öffnete die Tür von innen und lehnte sich zu Martin vor.
»Hi. Steigen Sie ein.«
Martin lehnte sich ins Wageninnere vor. Es roch muffig nach altem, zu lange in der Feuchtigkeit geparktem Auto, nach Ausdünstungen dieses unbekannten Mannes, der heute wieder in der Verkleidung des Jerome erschien. Vielleicht war es auch gar keine Verkleidung, sondern sein reguläres Aussehen. Martin hoffte, demnächst hinter die Fassaden dieses Sonderlings schauen zu können.
Er schlug den Kragen der Jeansjacke hoch. Es begann zu nieseln.
»Wollen Sie den Wagen nicht irgendwo parken? Wollten wir nicht in eine Kneipe oder so?«
»Ach, ich hab mir gedacht, ich bin mal nett und bringe Sie in Ihrem Fall heute ein großes Stück weiter. Ich zeige Ihnen meine Unterlagen, die ich bei meinen Recherchen zusammengetragen hab.«
Martin stieg zögerlich ein. Der Wagen steuerte aus Lüneburg heraus in Richtung Bardowick, bog auf die B4 auf. Jerome fuhr gen Norden. Martin blieb still sitzen und dachte nach. Was könnte es schaden, Infos über den Alten zu bekommen? Investigative Journalisten fanden schon immer Erstaunliches heraus. Sie schnüffelten ungeniert, hemmungslos und oftmals jenseits der Grenzen der Legalität.
Sie fuhren für zwei Kilometer weiter auf der A39. Hinter Seevetal bog er auf die A1 und gleich darauf auf einen kleinen Parkplatz ab.
»So, mein Lieber.« Jeromes Stimme wurde fest, unnachgiebig. »Kleine Planänderung für Sie.«
Martin blickte irritiert zu seinem Fahrer. Etwas mulmig war ihm nun doch zumute.
»Was soll das heißen?« Martin beobachtete Jerome, ob er mit der
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