Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
deinen Arm an. Du blutest wie ein Schwein und merkst es nicht mal.«
Reinhard Schöller zog das Sakko über. Sein Blick fiel auf einen rundlichen Mann im Garten, der hinter der großen Fensterfront zu erkennen war. Mit Glatze, wie auch er sie hatte, nur ein dunkler, buschiger Saum umrahmte den bleichen Schädel. Der Schnurrbart dunkel, vielleicht gefärbt. Die Sonne schien und ihre Strahlen brachen sich in der milchigen, nicht geputzten Scheibe, erzeugten ein waberndes Muster in der Pfütze Gin auf dem Boden.
Der Mann trug einen grünen Overall, schob eine Schubkarre, auf der ein Rechen und ein Spaten lagen. Seine Schritte waren langsam, bedächtig, überhaupt nicht in Eile. Er drehte seinen Kopf, nicht vollständig, nur so viel, dass er im Augenwinkel ins Innere des Hauses schielen konnte. Er blieb kurz stehen, kratzte sich ungeniert am Hintern und ging dann, die Griffe der Schubkarre umklammernd, weiter. Die Szene im Haus schien ihn nicht zu kümmern. Er wurde fürstlich bezahlt für seinen Job, nicht nach geleisteter Arbeit, sondern nach Stunden.
In diesem Augenblick schellte das abhörsichere Telefon. Reinhard Schöller eilte ins Arbeitszimmer, nahm es auf und rechnete mit einer weiteren Videokonferenz. Er betrachtete das Display. Es war nicht die Nummer, die sonst für eine Konferenz erschien, doch diese Nummer war ihm ebenso bekannt. Sein Herz rumpelte, als hätte eine alte Maschine einen Tritt bekommen.
»Ja.«
»Wir möchten, dass Sie wieder für uns tätig werden«, sagte die ihm nicht fremde Stimme.
»Was? Mein Sohn ist seit Kurzem tot, wie Sie wissen. Lassen Sie mir ein bisschen Zeit.«
»Sind Sie noch im Geschäft oder nicht? Die Sache mit Ihrem Sohn ist tragisch. Ein tragischer Unfall.«
»Sie wissen genau, dass es kein Unfall war!«
»Die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut. Selbst wenn ich es wüsste, ich muss Ihnen doch nicht wirklich erklären, wie die Sache funktioniert, oder? Also machen Sie jetzt den Job oder soll ich dafür sorgen, dass Sie draußen sind? Es gäbe da schon einen Nachfolger.«
Reinhard biss die Zähne zusammen.
»Das werden Sie nicht wagen. Ich weiß zu viel.«
»Eben drum. Wir können nur loyale Leute gebrauchen. Überlegen Sie es sich. Ansonsten sind Sie bald schon Geschichte.«
Eine längere Pause entstand.
»Das ist eine Unverschämtheit. Mein Vater war Mitbegründer der Bilderberger.«
Ein höhnisches Lachen schallte durch den Hörer. »Ihr Vater war von einem anderen Kaliber. Ihr Sohn dagegen war eine Null. Und Sie? Sie haben auch nicht die Größe Ihres Vaters. Von einer Generation zur nächsten ist verloren gegangen, was wirklich Bedeutung hat.«
Schöller hielt das Telefon von seinem Ohr weg und atmete tief durch. Seine Frau krümmte sich, der Gärtner rechte das Gras zusammen.
»Okay. Worum geht es?«
»Ein Bulle aus Ihrer Abteilung macht Schwierigkeiten. Genau genommen, sind es zwei.«
»Wer?«
»Ein Werner Hartleib und schon wieder dieser lästige Pohlmann. Der Zottelbär. Wir haben Sie beim letzten Mal darauf hingewiesen, dass wir keinen Schnüffler gebrauchen können, der sich nicht an Regeln hält. Und genau das tut er. Er hält sich, verdammt noch mal, an überhaupt keine Regeln.«
»Pohlmann ist nicht mehr in meiner Abteilung. Er ist in einem Kaff bei Lüneburg und leitet dort eine Wache mit sechs Leuten. Das kann nicht sein.«
»Haben wir uns schon mal geirrt?«
Wieder entstand eine Pause. Reinhards Frau rappelte sich auf und wischte sich die Tränen mit jenem Arm aus dem Gesicht, auf dessen zarter, durchschimmernder Haut sich eine bräunlich-rote Blutkruste gebildet hatte.
»Nein. Sie haben sich noch nie geirrt«, gab Schöller zu. Eine bleierne Schwere legte sich auf sein Gemüt. Die Stimme verlor an Kraft.
»Ihr Sohn muss Kontakt zu Pohlmann aufgenommen haben, bevor er starb. Wir wissen noch nicht, wie viel er genau weiß, aber mit Sicherheit ist es eigentlich jetzt schon zu viel. Pohlmann wiederum pflegt intensiven Kontakt zu Hartleib. Sie schnüffeln rum.«
»Na und? Klar schnüffeln sie rum. Es sind Bullen. Was soll ich da machen? Ihn umbringen vielleicht?« Schöller lachte auf. Es klang wie das Lachen eines gequälten Wahnsinnigen.
»Wär nicht das Schlechteste und nicht Ihr erstes Mal. Behalten Sie ihn vorerst im Auge. Schüchtern Sie ihn ein. Machen Sie ihm Schwierigkeiten.«
»Pohlmann kann man nicht einschüchtern. Er ist zu dickfellig.«
»Herrgott, muss ich Ihnen denn alles haarklein erklären? Die anderen hatten
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