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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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aber nicht jetzt. Morgen.“
    „Okay.“ Was mochte es wohl sein? Bestimmt hatte es mit dem Weihnachtsabend in der Kneipe zu tun. Irgendwas wegen Tom oder Charlie? Doch ehe ich eine konkrete Idee entwickeln konnte, fiel auch ich in einen tiefen und traumlosen Erschöpfungsschlaf.
     

Kapitel 36
     
    „Wolkenkratzer? Beschreibe sie genauer.“ Jolly fixierte Grete mit seinen stechenden Augen. Was die Befragung anging, war er wieder voll in seinem Element. Wahrscheinlich hätte er in der realen Welt einen hervorragenden Anwalt abgegeben.
    Ranja berührte sachte seinen Arm, um ihn etwas zu besänftigen. Wir saßen hinter der Akademie im Kreis auf Steinblöcken um das blaue Feuer. Grete schaute ungerührt in die kleinen, tiefblauen Flammen. Jolly brachte sie nicht aus der Ruhe. Sie ließ ihn ein wenig warten.
    Ich saß neben ihr und nahm zum ersten Mal an einer derartigen Befragung eines Neuankömmlings teil, weil ich die Vorgeschichte kannte und weil Gretes Fall von besonderen Umständen begleitet war.
    „Na, Wolkenkratzer eben. Nur dass sie wirklich gut aussahen, nicht düster und schmutzig oder zu eng stehend, sondern alle so goldgelb angestrahlt und mit sehr breiten Alleen dazwischen.“
    „Aber du hast keine Menschenseele gesehen?“, fragte Kim.
    „Nein, das hab ich doch schon gesagt. Ich bin nur vorbeigeschwommen wie durch eine Ader aus Glas, und um mich herum war diese Stadt, über mir, unter mir, neben mir. Alles ein bisschen verzerrt.“
    „Ich denke, es war eine Halluzination. Das hatten wir bei Neuankömmlingen ja schon öfter“, überlegte Sulannia.
    „Nein. Das kann keine Halluzination gewesen sein. Dazu ist es zu deutlich“, hielt Jolly dagegen.
    „Ob Halluzination oder nicht. Der entscheidende Punkt ist schließlich, dass es einen Wasserdurchgang gibt, von dem keiner weiß“, sagte Marco. Er war neu zum Mitglied des Rates für das Element Erde gewählt worden, nachdem Jerome ausgeschieden war. Ein großer, dunkelhaariger Typ mit einem Piercing in der Unterlippe und slawischen Gesichtszügen. Er hatte die magische Akademie vor circa zehn Jahren absolviert, Chemie studiert und war in der realen Welt in der Forschung tätig. Mir gefielen seine ruhige Art und seine tiefe Stimme.
    „Neve und ich werden noch heute zu dem Haus am Wetterplatz 8 aufbrechen. Die Undinen sind informiert und durchsuchen das Wassernetzwerk auf Verbindungen mit diesem Durchgang“, sagte Sulannia.
    Jolly warf mir vor, dass ich das mit Grete auf eigene Faust durchgezogen hatte. Aber Kim nahm mich in Schutz und bestätigte, dass ich mich mit ihr beraten hatte.
    „Wir müssen die Katze finden und dann werde ich ihr folgen.“ Sulannia strich sich ihre fließenden Haare über die Schulter. Grete beobachtete sie dabei und stocherte nebenher mit einem Stock im Feuer, als würde sie jeden Tag hier sitzen und Meetings abhalten. Ich staunte, wie gelassen sie war. Sie hatte ziemlich schnell akzeptiert, dass sie sich in einer Welt befand, von der sie bis vor kurzem noch keinen Schimmer gehabt hatte. Sie verhielt sich, als hätte sie lange auf solch eine Welt gewartet und wäre nun, statt überrascht, eher beruhigt, endlich hier zu sein.
    Ranja ergriff das Wort. „Dann sollten wir jetzt noch die Sache mit Gretes Element klären. Sie hat laut Neve die meiste Zeit Äthersymptome gezeigt, ist aber am Ende durch einen Wasserdurchgang gekommen.“
    „Es ist anders als bei Kira. Grete war trocken. Alles ganz normal. Ich denke, die Wahl des Durchganges ist ausschlaggebend“, sagte Jolly.
    Kim nickte zustimmend und schien keinen Verdacht zu hegen, dass Grete Äther sein könnte.
    „Eventuell kommt eine Affinität zu Äther hinzu“, bemerkte Marco.
    „Davon gehe ich aus.“ Jolly sah zu Sulannia. „Ich bin ansonsten ebenfalls der Meinung, dass Grete in die Obhut von Sulannia gehört.“
    „Und ich darf nicht mitreden, wie ich mich am meisten fühle?“, schaltete sich Grete ein.
    In Jollys Blick blitzte ein Funken Erstaunen auf. Diese Frage hatte bis jetzt noch kein Neuankömmling gestellt. Dazu waren sie alle viel zu überwältigt von den Ereignissen.
    „Wir fühlst du dich denn am meisten?“, fragte er sie ein wenig oberlehrerhaft.
    „Wie Wasser“, antwortete Grete trotzig. Jolly zog die Stirn in Falten, während Ranja sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Grete war wahrscheinlich die erste Studentin, die Jolly etwas entgegenzusetzen haben würde.
    „Dann bleibt nur noch die Frage zu klären, bei wem sie wohnen soll.“

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