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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Verschiebungen verhinderten, Grete zu finden.
    „Ich hole ein wenig Wasser von der Quelle und ein paar Rotbeeren. Sie wachsen hier überall und sie werden dir auf die Beine helfen.“ Rotbeeren wirkten bei Neuankömmlingen, die die Reise in die magische Welt zu sehr mitgenommen hatte, immer wie ein Energydrink.
    „Wo bin ich?“, fragte sie jetzt.
    „Na, in der magischen Welt natürlich. Ruh dich noch ein wenig aus. Alles ist jetzt gut. Du hast es geschafft.“
    Grete schloss wieder die Augen und lächelte.
    „Du hast mich also nicht angelogen.“
     

Kapitel 35
     
    Wir brauchten ewig durch den magischen Wald, den ganzen Tag. Grete fühlte sich unheimlich schwach und ich war auch noch lange nicht wieder bei Kräften. Ich stützte sie und alle paar Schritte blieben wir stehen oder setzten uns eine Weile auf den moosigen Boden. Wir redeten nicht, weil Reden sie viel zu sehr anstrengte. Grete lächelte, wann immer eine Blüte ganz von allein auf ihrer Hand landete.
    Ich begann mich zu fragen, ob wir das Tal mit unserer Siedlung und der Akademie jemals erreichen würden, aber ich wollte Grete nicht beunruhigen und ließ mir nichts anmerken.
    Die räumlichen Verschiebungen hatten sich definitiv verschlimmert. Die Sonne stand schon wieder weit im Westen, falls auf die Himmelsrichtungen überhaupt noch Verlass war, und ich fürchtete mich davor, dass wir eine weitere Nacht im magischen Wald verbringen müssten.
    In der realen Welt war der Weihnachtsabend längst vorüber. Ich dachte an Janus und hoffte, dass Luisas Vater ihn informiert hatte. In der magischen Welt wurden wahrscheinlich gerade die letzten Vorbereitungen für das Fest der Elemente getroffen. Ich spitzte die Ohren und lauschte. Ich hoffte, dass am Abend vielleicht etwas von den Geräuschen der Festlichkeiten zu uns herüberdringen würde oder uns das Himmelsspektakel den Weg wies.
    Wir gelangten an eine Lichtung, wo sich ein kleiner Bach durch dicke Blaubeerbüsche schlängelte, deren Früchte so groß wie Aprikosen waren. Grete ließ sich einfach wie ein nasser Sack fallen, ihre linke Hand glitt in den Bach und dann rührte sie sich nicht mehr. Ich hockte mich hin und sammelte ein paar Früchte ein.
    „Wir haben irgendein Problem, stimmt’s? Du brauchst mir nichts vorzumachen“, flüsterte sie.
    Gerade als ich zu einer Antwort ansetzen wollte, bewegten sich die Büsche neben mir. Unwillkürlich griff ich mir ans Herz vor Schreck, und dann stand auf einmal ein kleiner, jungenhaft wirkender Mann mit kurzem schwarzem Haar vor uns.
    „Pio?!“, rief ich überrascht und gleichzeitig überaus erleichtert, ein vertrautes Gesicht aus der Akademie vor mir zu sehen.
    „Bitte, folgen Sie mir hier entlang. Ich habe die Aufgabe, Sie zur Akademie zu führen.“
    Pio wies in die Richtung, aus der er gekommen war. Ich sah nur Büsche und dichtes Unterholz, keinen Weg. Außerdem stimmte nach meinem Empfinden die Richtung nicht. Wir würden uns annähernd dahin zurückbewegen, wo wir hergekommen waren. Pio stand mitten in den Beeren und schaute weder mich noch Grete an. Grete richtete sich auf.
    „Wer ist das?“
    „Das ist Pio. Er ist so etwas wie der Chronist der magischen Welt. Bei ihm kannst du E-Mails nach Hause schreiben. Wir können ihm vertrauen.“
    „Ich habe keine Kraft mehr“, stöhnte sie.
    „Pio, wie weit ist es noch?“
    „Einhundertachtundneunzig Meter.“ Seine präzise Antwort kam wie aus der Pistole geschossen und Grete sah ihn mit großen Augen an.
    „Ich bin hier, um Sie zur Akademie zu bringen. Bitte folgen Sie mir. Die Festlichkeiten beginnen in einer Stunde und achtunddreißig Minuten.“
    Ich rutschte zu Grete hinüber. „Komm, die letzten Meter, das schaffen wir.“ Ich versuchte, sie hochzuziehen, aber Grete riss mich zu sich auf den Boden.
    „Tut mir leid. Warum hilft er uns denn nicht?“, fragte sie leise.
    „Er mag es nicht, andere Menschen zu berühren.“
    „Na, klasse“, grummelte Grete und warf Pio einen anklagenden Blick zu.
    „Er ist Autist“, flüsterte ich in Gretes Ohr. Grete zog die Stirn kraus, sagte daraufhin aber nichts mehr. Endlich standen wir wieder auf den Beinen und folgten Pio durch die dichten, hohen Blaubeersträucher, dann durch ein Wäldchen aus kleinen roten Tannen, unter denen wir uns ducken mussten, um voranzukommen, und danach waren es nur noch ein paar Schritte durch vielfarbig schimmernde Farne, bis die Akademie direkt vor uns auftauchte.
    Grete blickte mit offenem Mund auf das, was sich vor

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