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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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einem passenden Wort. Dann fiel mir eins von Grete ein: … VOLLPFOSTEN!
     

Kapitel 37
     
     Sulannia wartete bereits auf der Parkbank am Wetterplatz auf mich, unter der großen Kastanie, die ihre kahlen Äste in den Winterhimmel streckte. Der Anblick des Baumes war das vollkommene Gegenprogramm zu dem warmen und farbenfrohen Fest in der magischen Welt. Noch trauriger dagegen wirkte das alte Haus.
    Während die Fenster aller umliegenden Häuser mit Weihnachtssternen oder Lichterketten geschmückt waren, brannte hier nur eine einsame Kerze in Emmas Fenster.
    Auch Sulannia bildete einen schönen Kontrast. Sie sah in ihrem indigoblauen Filzmantel und den hohen, dunkelblauen Stiefeln aus wie ein Hochglanzmodel vor einer alten Schwarz-Weiß-Fotografie. Ihr glattes Haar hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden und über die rechte Schulter gelegt. Mit ungefähr einem Meter fünfundachtzig Größe und ihrer Ausstrahlung war sie eine imposante Frau, an die sich in der magischen Welt jeder gewöhnt hatte, die aber ansonsten überall Blicke auf sich zog.
    „Ich hatte fast schon wieder vergessen, wie furchtbar kalt es im Winter in Berlin werden kann“, begrüßte sie mich und hauchte sich in die Hände.
    „Oh, ich hoffe, ich habe dich nicht zu lange warten lassen.“
    Sulannia erhob sich. „Keineswegs, ich bin erst drei Minuten hier, aber die reichen völlig aus, um das große Zittern zu bekommen.“
    Sie folgte mir zum Haus. Ich stemmte die schwere Holztür zur Durchfahrt auf und hielt unwillkürlich die Luft an, weil uns ein widerlicher Gestank entgegenschlug.
    „Werden hier die Mülltonnen nicht geleert?“, fragte Sulannia.
    „Keine Ahnung, sonst stinkt es hier eigentlich nicht.“
    Auf dem Boden lagen aufgerissene oder halb zerknüllte Briefe. Ich hob einen auf. Das Papier verströmte eine schwere Moschusnote. Ich stellte mir vor, wie diese Briefe in einem protzigen, mit Mahagonimöbeln vollgestopften Büro geschrieben worden waren.
    Es handelte sich um lauter Einwurf-Einschreiben und sie stammten von Dr. Haruto Tanaka, dem neuen Besitzer des Hauses. Ich zog das Schreiben aus einem der bereits aufgerissenen Umschläge und hielt die fristlose Kündigung für Emma und Viktor in der Hand. Sulannia sah mich fragend an.
    „Vom neuen Besitzer des Hauses. Er will die Mieter alle loswerden. Dr. Haruto Tanaka. Ein Japaner“, erklärte ich.
    „Ein Japaner?“
    „Ja, in der Gegend werden die Häuser fast nur noch von ausländischen Investoren gekauft: Engländer, Kanadier, Japaner … Der Bezirk ist hip.“
    Sulannia schien zu verstehen. Ich führte sie die Treppe hinunter in den Keller und gab ihr ein Zeichen stehenzubleiben.
    „In dem Haus gibt es eine Forscherin, die gerade Untersuchungen zu Psi-Phänomenen anstellt. Wir sollten zuerst die Kamera unschädlich machen.“
    Sulannia zog ihre geschwungenen Augenbrauen zusammen. „Jemand forscht hier nach Psi-Phänomenen? Warum hast du das auf der Ratssitzung nicht erwähnt?“ In ihrer Stimme klang ein leichter Vorwurf.
    „Weil ich glaube, dass es nicht von Bedeutung ist. Sie hat keine Ahnung, sie tut es, um sich für eine Ausbildung in London zu bewerben. Einfach Zufall.“
    „Hoffen wir das. Schließlich hängt die Kamera direkt an einem magischen Durchgang.“
    Sulannia klang nicht sehr überzeugt. Nun kamen mir auch Zweifel. So hatte ich das noch gar nicht gesehen.
    Andererseits, ich wusste, dass Janus Charlie hierhergeschickt hatte. Und es gab keinen Grund, Sulannia diese Geschichte auch noch zu erklären. Es musste ein Zufall sein. Oder etwa nicht? Doch.
    Wenn Janus keine weiteren Geheimnisse vor mir verbarg – und er hatte in meiner Küche recht überzeugend geklungen – dann war und blieb Charlie harmlos. Ich nahm mein Halstuch ab, duckte mich an der Wand entlang und hüllte damit die Kamera ein.
    Sulannia folgte mir und blieb einige Zentimeter vor dem Wasser stehen. Sie schaute eine Zeit lang schweigend darauf, wie es in kleinen Wellen an das Kellerufer schwappte. Dann hockte sie sich hin und berührte es mit den Händen. „Es bewegt sich, es schimmert und es ist relativ warm, so um die achtzehn Grad würde ich schätzen.“
    „Ja, das hätte mich längst stutzig machen müssen. Aber ich dachte, irgendwo da hinten gäbe es weitere Fenster und …“
    „Nichts hätte dich stutzig machen müssen. Niemand würde hier einen Durchgang vermuten. Niemand.“
    Sulannia zog ihren Mantel aus. Ich nahm ihn ihr ab. Dann streifte sie ihre Stiefel ab. Sie trug eins

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