Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
Vom Netzwerk:
in sein verschlafenes Gesicht. Sofort lehnte er sich zurück und saß aufrecht in seinem Stuhl, als wäre es ihm peinlich, dass er auf meinem Bett eingeschlafen war. Ein erleichtertes Strahlen bemächtigte sich seiner Gesichtszüge.
    „Neve, du bist wach!“
    Er sprang auf und lief zur Tür.
    ‚Wo willst du hin?‘, wollte ich ihn fragen, musste aber feststellen, dass meine Stimme mir nicht gehorchte. Ich brachte keinen Ton heraus.
    Janus drehte sich an der Tür noch einmal um, als hätte er meine Frage gespürt. „Ich hole Dr. Labot, bin gleich wieder da.“
    Wenig später betrat er mit einem Mann den Raum, der genauso groß und kräftig war wie Janus, nur dass er blonde Locken hatte und einen weißen Kittel trug.
    Ich spürte, wie sich Angst in mir breitmachte. Ich war in einem Krankenhaus in der realen Welt. Was hatten sie mit mir vor? Instinktiv versuchte ich nach rechts auszuweichen, als der Arzt von links an mein Bett trat.
    Die Gestalt von Charlie blitzte in meiner Erinnerung auf und dann fiel mir ein, dass wir in einem riesigen Labor gewesen waren. Beweise … Experimente … Und jetzt wollte dieser Typ mich untersuchen … Ich versuchte abwehrend den Kopf zu schütteln, konnte ihn aber nur unmerklich bewegen.
    Doktor Labot nahm meine Hand und fühlte meinen Puls. Ich hatte keine Chance, sie würden hier mit mir machen können, was sie wollten. Vielleicht war das gar kein Krankenhaus, vielleicht war das ebenfalls ein Forschungsinstitut.
    „Äther, habe ich gehört … Wärst du Wasser oder Feuer, hättest du weniger Glück gehabt.“
    Er überprüfte die Flüssigkeit in meinem Tropf, während ich ihn mit großen Augen beobachtete. Er sprach ganz selbstverständlich von meinem Element.
    „Mach dir keine Sorgen, Neve. Du bist hier in guten Händen, im Krankenhaus Neukölln. Dr. Labot ist einer von uns“, beruhigte mich Janus.
    Ich schloss die Augen, so erleichtert war ich.
    „Spürst du ein Summen in deinem Körper, so als würdest du direkt neben einem mannshohen Lautsprecher stehen?“, fragte mich der Doktor.
    Ich blinzelte und schüttelte verneinend den Kopf.
    „Ein Piken?“
    Ich verneinte wieder.
    „Irgendein anderes ungewöhnliches Gefühl?“
    Ich horchte in mich hinein, aber da war nichts. Alles ruhig. Selbst mein Herz fiel mir nicht auf. Ob es überhaupt noch schlug? Oder war ich wieder … Ich bewegte unwillkürlich meinen linken Arm, um mir ängstlich ans Herz zu fassen, und bemerkte erst jetzt, dass in der Hand auch eine Kanüle steckte. Durch den Schlauch wurde mir irgendeine neongelbe Flüssigkeit zugeführt. Seltsamerweise befürchtete ich, dass mein Herz wieder nicht mehr schlagen könnte.
    „Gut“, sagte Dr. Labot und drückte an einem der Geräte herum.
    „Ihre Werte normalisieren sich.“
    „Schlägt mein Herz?“, flüsterte ich kaum hörbar und Doktor Labot sah mich an. Ja, er war einer von uns. Ein normales Gehör hätte mein Flüstern definitiv nicht verstanden.
    „Natürlich. Es schlägt ruhig und gesund. Es hatte zum Glück genug Zeit, sich nach deiner jahrelangen Winterpause zu kräftigen. Das hat dir das Leben gerettet.“
    Ich machte ein fragendes Gesicht.
    „Mit größeren Äther-Anteilen, so wie davor – der junge Mann hier hat mir von deiner Lebensabstinenz erzählt –, hättest du kein CT überstanden.“
    Er ging um mein Bett herum und stellte die Zufuhr der neongelben Flüssigkeit am Tropf ein. Ich spürte, dass er nicht verstand, was ich in einem Computertomografen zu suchen gehabt hatte, aber er fragte nicht.
    „In zwei Stunden ist Schwesternwechsel. Die Nachtschicht ist keine von uns. Erinnere Schwester Catja vorher daran, dass sie bis dahin den zweiten Tropf entfernt“, erklärte er Janus und zeigte auf das Gerät mit der neongelben Flüssigkeit.
    „Das werde ich tun.“
    „Gut, sie braucht jetzt viel Schlaf, und dann wird das schon werden.“
    Er lächelte und nickte mir zu. „Gute Besserung.“
    Ich bedankte mich mit einem Kopfnicken. Dann verließ er das Zimmer. Janus setzte sich wieder auf den Stuhl neben mir und sah mich an. Ich wollte etwas sagen, dass ich so glücklich war, dass er da war und dass ich nicht mehr sauer auf ihn war, überhaupt nicht, aber er begann unaufhaltsam vor mir zu verschwimmen.
     
    Für mich war es nur Minuten später, Janus saß auf dem Stuhl neben mir wie gehabt, aber er behauptete, ich hätte in der Zwischenzeit fast zwei Tage geschlafen. Neben ihm lag ein dickes Buch. „Als du das letzte Mal wach warst, war ich

Weitere Kostenlose Bücher