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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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bisschen wenig. Am besten, du sprichst es laut aus: Ich liebe Janus!“
    Mir wurde schon schwindlig davon, wenn sie es aussprach. „Nein, also, ich …“
    „Schon gut!“ Ranja nahm meine Hände in ihre und drückte sie kurz. „Es gibt nichts Fantastischeres, als jemanden zu finden, den man lieben kann und der diese Liebe auch verdient.“
    Es war unendlich erleichternd gewesen, vor mir zuzugeben, dass ich Janus liebte. Dass ich es schon eine ganze Weile tat. Dass mein Unbewusstes es bereits seit unserer ersten Begegnung ahnte. Und dass er mir deswegen unheimlich gewesen war – weil er die Macht besaß, zu meinem Herzen durchzudringen.
    Es war eine ganz andere Liebe als die zu Tom. Ich begriff, dass das in keinem Widerspruch stand.
    Meine Gefühle für Tom hatten wohl eher die Aufgabe gehabt, mich vor der Liebe, vor dem wirklichen Leben und dem Fühlen mit allen Sinnen zu schützen. Ich war nicht richtig mit dem Herzen dabei gewesen. Denn für die Liebe musste ein Herz schlagen. Und wer war es, der meinen ersten Herzschlag wie einen Donner und dazu all die anderen körperlichen Veränderungen in mir ausgelöst hatte? Janus, und nicht Tom. Mit Janus fand das Leben statt, während Tom und ich uns in viel zu vielen Dingen unterschieden.
    Wir mochten uns, klar. Und ich war seine Muse gewesen. Inzwischen war ich mir sicher, dass die Nähe zu einem Durchgang in die magische Welt bei Tom die Inspiration zur Schattenmelodie verursacht hatte. Ich hatte dabei wie ein Verstärker gewirkt, ihm im Traum die dazugehörigen Bilder gezeigt und ihm damit geholfen, sein Werk zu vollenden.
    Aber uns verband nicht das, was zwei Menschen verband, die zusammengehörten: ein Schwingen im Gleichtakt, dieses durch und durch befriedigende Empfinden, dasselbe Universum zu bewohnen. Das hatte nichts damit zu tun, dass Janus und ich magisch begabt waren. Die Liebe war eine Kraft, die einen veränderte, zu sich selbst führte und das Beste aus einem herausholte. All das hatte Janus bei mir bewirkt.
    Ich lief durch die Straßen mit offenem Mantel und offenen Haaren, befreite die Apfelsine von ihrer dicken Hülle und biss in sie hinein wie in einen Apfel. Ich fühlte mich wie ein neuer Mensch, und ich wollte leben und lieben, mit allem, was dazugehörte.
    Ich war in den frühen Morgenstunden mit einem seligen Gefühl eingeschlafen und mittags mit mächtigem Tatendrang aufgewacht. Ich hatte es gar nicht erwarten können, dass Doktor Labot kam und mir den Segen gab, das Krankenhaus zu verlassen. Kurz zweifelte ich, ob er mir nicht doch etwas in den Kaffee gemischt hatte, was diese ungewohnte Euphorie erklärte, in der ich mich befand. Aber meine Euphorie ließ sich natürlich auch ganz ohne Aufputschmittel erklären.
    Ranja hatte mich zum Abschied auf die linke und die rechte Wange geküsst und gesagt: „Nun lass es nicht anbrennen und geh zu Janus. Er ist ein guter Typ, das spüre ich. Ich bin mir sicher, dass du von ihm keinen Korb bekommst.“ Das untrüglichste Zeichen, dass Janus meine Gefühle erwiderte, war für Ranja, dass unsere Begegnungen immer wieder in ein Streitgespräch mündeten. So etwas rührte ihrer Ansicht nach allein von unterdrückten Gefühlen, Gefühlen, von denen man nicht wusste, ob der andere damit etwas anfangen konnte.
    Ich wischte mir den Apfelsinensaft vom Mund. Apfelsinen schmeckten nur in der Weihnachtszeit und kurz danach so köstlich. Dann verschwand ich in einem Hauseingang, verwandelte mich, was so mühelos funktionierte wie lange nicht mehr, und schwang mich auf, hoch über die Dächer.
    Einige Minuten später erreichte ich das Stadtzentrum. Die Menschen gingen ihren Tätigkeiten nach, die Touristen bestaunten Gebäude und Denkmäler. Mir kam es so vor, als würde ich Berlin zum ersten Mal ohne einen dünnen Schleier davor wahrnehmen. So viele Jahre war ich durch die Straßen der Stadt gestreift, aber jetzt erst fühlte ich mich so, als ob ich hier auch hingehörte. An diesen Ort … und zu Janus.
    Die Weltzeituhr zeigte kurz nach vierzehn Uhr. Ob er in seinem Antiquariat war? Aber warum nicht, eine ganz normale Uhrzeit unter der Woche. Sein Laden würde geöffnet sein.
    Ich verdrängte jetzt zwar meine Gefühle nicht mehr, aber zum Glück verdrängte ich dafür erfolgreich, dass alles noch lange nicht einfach sein musste, wenn man beschloss, dem anderen endlich die Arme zu öffnen. Und ich verdrängte genauso erfolgreich meine Panik, jemanden zu küssen.
     
    Janus hatte das aufklappbare Schild

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