Schattenmelodie
jemandem.“ In dem Moment, als ich es aussprach, war ich sicher, dass das allein die Lösung sein konnte.
„So ein riesiger Lieblingsort?“
„Warum nicht? Wir sollten die Wasserader suchen. Wenn es sich um den Ort handelt, den auch Grete und Sulannia gesehen haben, können wir sicher sein, dass wir uns in der Nähe der magischen Blase von Berlin befinden.“
Janus blickte aus dem Fenster nach unten. „Meinst du nicht, dass man sie dann auch von hier oben sehen müsste?“
„Schau mal!“ Aufgeregt zeigte ich mit dem Finger auf den großen Platz unter uns, der von Hochhäusern umstellt war. „Da läuft jemand.“
Janus folgte meinem Blick. Es war ein Typ in einem Anzug, der es sehr eilig zu haben schien. Er hatte schwarze Haare wie ein Asiat, trug eine Aktentasche unter dem Arm und verschwand jetzt unter einer Palme.
„Vielleicht gibt es hier doch Leute. Büros. Nur dieses Haus ist noch nicht bezogen worden.“
„Aber dann kann es kein Lieblingsort sein.“
Auf einmal huschte ein Schatten über uns hinweg, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne gelegt. Aber es handelte sich nicht um eine Wolke. Niemand anders als Ranja war gerade mit fliegenden Röcken am Fenster vorbeigezischt. Gleichzeitig sahen wir, wie jemand von der anderen Seite des Platzes heranpfiff. Jolly! Dann materialisierte sich Kim unten auf dem Platz und duckte sich sofort hinter eine Skulptur. Es sah ganz so aus, als wenn sie den Mann jagten, den wir gerade gesichtet hatten.
Ein neuer Gedanke schoss mir durch den Kopf. Und wenn es dieser Tanaka war?
„Da ist er wieder. Er läuft direkt auf unser Haus zu!“, rief Janus. Ich sah den schwarzen Haarschopf unter einer Palme auftauchen. Kim und Ranja berieten sich mit Jolly unten auf dem Platz. Sie hatten ihn offenbar aus den Augen verloren. Jetzt entdeckte ich auch Marco und Sulannia, die auf die anderen Ratsmitglieder zueilten.
„Wir müssen rausfinden, wo er hinwill“, sagte Janus, packte mich an der Hand und zog mich zurück zu den Fahrstühlen. Der linke Fahrstuhl befand sich auf dem Weg nach unten. Der rechte, mit dem wir gekommen waren, wartete nach wie vor auf unserer Etage.
Ich fasste einen Entschluss. „Okay, steig du ein. Ich … Wir treffen uns im Keller.“
Janus wollte mir widersprechen, aber schon war ich im Begriff, mich zu verwandeln. Ich warf ihm noch einen entschlossenen Blick zu, bevor er mein Gesicht nicht mehr sehen konnte, und stob davon, dem Notausgang-Schild folgend zum Treppenhaus und zwischen den Treppengeländern hinab in die Tiefe. So würde ich schneller unten sein als Janus.
Als sich der linke Fahrstuhl in dem riesigen Kellergewölbe öffnete, war ich bereits vor Ort. Es war tatsächlich Tanaka, der aus dem Fahrstuhl stieg und sich hastig umsah. Er bemerkte, dass sich der zweite Fahrstuhl ebenfalls in Bewegung nach unten befand, und seinem Gesicht war anzusehen, dass ihn das maßlos verwirrte.
Er hielt seine Aktentasche an sich gepresst und eilte in einen Gang hinein, der von dem Gewölbe aus in die Dunkelheit führte. Hier unten konnte man erkennen, dass die Fundamente der Stadt auf massivem Felsgestein ruhten, das sich unter dem Sand verbarg.
Ich folgte Tanaka in den Gang. Er machte sich nicht die Mühe, Licht anzuknipsen, weil seine Augen im Dunkeln leuchteten. Er war also ganz sicher jemand aus der magischen Welt. Wie konnten die Mitglieder des Rates nur seine magischen Begabungen übersehen haben, als sie Nachforschungen über ihn angestellt hatten? Oder war es doch jemand anders? Nein, er musste es sein.
Der Gang machte einige Biegungen, doch nirgendwo zweigte eine Tür ab. Wo wollte er hin? Ich hoffte inständig, dass Janus den richtigen Weg einschlagen würde, der jetzt abschüssig wurde und immer weiter in die Tiefe führte. Tanaka verschwand um eine fast rechtwinklige Biegung.
Und dann wurde mir klar, was er vorhatte. Vor mir eröffnete sich eine schillernde Grotte. Riesige Kristalle hingen wie Schwerter von der Decke herab und spiegelten sich in dem lagunengrünen See darunter. Tanaka kletterte über einige Findlinge, die das Ufer dieses unterirdischen Gewässers säumten, und stieg in seinem Anzug ins Wasser. Der See musste ein Durchgang sein, und er war drauf und dran, ihn zu nutzen. Panik ergriff mich. Ich musste ihn aufhalten. Bloß wie? Hilfesuchend sah ich mich um und lauschte. Aber niemand kam. Der Rat hatte seine Spur verloren und Janus befand sich außer Hörweite.
Ich holte zu Tanaka auf, bis ich mich dicht hinter seinem
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