Schattenmelodie
„Er führt allerdings nicht in die magische Welt, sondern direkt in das Haus am Wetterplatz. Das bedeutet, die Wasserader vom Keller zur Quelle, durch die Grete gekommen ist, wurde umgeleitet.“
„Er führt in die reale Welt? Das ist unmöglich“, antwortete Jolly. Er klang aufgebracht.
„Es sei denn, wir befinden uns nicht an einem Lieblingsort, sondern in einer magischen Blase.“ Die Worte von Marco hingen bedrohlich im Raum. Alle wussten, was das bedeutete.
An jedem realen Ort konnte es nur eine Blase geben, die ihr Gleichgewicht durch die fünf Elemente erhielt. Wenn der Durchgang eines Elements plötzlich in einen Lieblingsort führte, begann er, sich in eine magische Blase zu verwandeln und nahm der anderen Blase langsam die Energie. Das würde die immer stärker werdenden Verschiebungen erklären. Alarmierend war bereits, dass Reisende nicht mehr in der magischen Blase von Berlin ankamen, sondern in der Wüstenstadt. Die magische Blase von Berlin lief Gefahr sich aufzulösen.
Kapitel 48
„Diesen Durchgang kann es noch nicht lange geben. Noch vor ein paar Tagen führte er in den magischen Wald“, sagte Sulannia und klang beherrscht wie immer.
„Ich denke, Sie sind dem Rat eine Erklärung schuldig“, richtete Jolly das Wort an Tanaka. Der lag auf dem Boden, starrte an die Decke der Grotte und verzog keine Miene.
„Wie haben Sie diesen Durchgang erschaffen?“, versuchte Jolly weiter in ihn zu dringen. Aber Tanakas Lippen bildeten einen strengen Strich. Er würde nichts sagen. Kein Wort.
„Wir haben nur eine Möglichkeit: ihn löschen und hoffen, dass sein Lieblingsort damit auch verschwindet“, sagte Sulannia.
Jetzt zuckte es um Tanakas Mund, aber er schwieg weiterhin.
„Und wenn nicht? Wenn der Lieblingsort schon zu sehr einer Blase gleicht und sich nicht mehr eliminieren lässt?“, warf Kim ein.
„Wir wissen alle, was dann geschieht: Die magische Blase von Berlin weicht einer heißen Wüstenstadt, von der wir nicht wissen, wie sie sich entwickelt und ob sie überhaupt stabil sein wird.“
Marco griff sich die Aktentasche des Gefangenen und öffnete sie. Tanakas Blick folgte ihm. Marco brachte einige Papiere zum Vorschein. Darunter einen japanischen Pass. Marco blätterte darin.
„Haruto Tanaka. Der Name stimmt und der Pass wurde in Tokio ausgestellt.“
„Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass er in der magischen Blase von Tokio ausgebildet wurde“, sagte Ranja.
„Wir sollten zum Rat in Tokio Kontakt aufnehmen“, schlug Sulannia vor.
Die Mitglieder des Rates senkten ihre Köpfe und saßen nun schweigend im Kreis, Tanaka gefangen in der Mitte, Janus, Kira und ich ein wenig abseits daneben. Eine seltsame Stille breitete sich in der Grotte aus.
Die Voraussetzung um Ratsmitglied zu werden war das Talent, sich mittels quantenmechanischer Prozesse verständigen zu können. Ohne Zeit und Raum machten Gedanken, Worte und Sätze Sprünge zu ihrem Empfänger und wurden umgehend beantwortet. An Kiras Gesichtsausdruck sah ich, dass sie der Unterredung nach Japan folgen konnte.
„Worüber reden sie?“, fragte ich sie ganz leise.
„Es könnte sich um einen Mann handeln, der in Japan schon lange gesucht wird, weil er wertvolle Kristalle aus dem magischen Fluss in Tokio gestohlen hat. Allerdings stimmt der Name nicht.“
Plötzlich erhob sich Sulannia und durchsuchte noch einmal die Aktentasche. Tanaka wurde unruhig. Sie brachte ein durchsichtiges Säckchen mit tiefgrünen Kristallen zum Vorschein. Sie schillerten und funkelten so intensiv, dass es gleich ein wenig heller wurde in der Grotte. Tanaka schnellte mit dem Oberkörper nach vorn, aber er fiel sofort wieder zurück.
„Die kommen nur im magischen Fluss von Tokio vor. Das hatten wir gerade in Kristallkunde“, flüsterte Kira.
„Er muss es sein. Kouki Tato“, sagte Ranja und nickte andächtig.
„Wahrscheinlich haben Jerome und der Geheimbund ihn lange geschützt“, überlegte Marco.
„Mich würde interessieren warum.“ Jolly fixierte Tanaka, der in Wirklichkeit Kouki Tato hieß, mit seinem stechenden Blick. Doch Tanaka sah nicht so aus, als würde er irgendwas preisgeben.
„Das viele Geld?“, spekulierte Ranja.
„Oder vielmehr seine Fähigkeit, einen magischen Durchgang zu schaffen?“, ergänzte Sulannia.
„Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass er den Wasserdurchgang erschaffen hat“, berichtigte Jolly.
„Klar ist jedenfalls, womit er das Haus am Wetterplatz gekauft hat“, sagte
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