Schattenmelodie
und weißt du, was er tat? Er hielt mir zwei aufeinandergelegte, schleimige Nacktschnecken hin und da drückte ich meine Lippen rauf.“
„Was?“ Janus sah mich fassungslos an.
„Das war der ekligste Moment meines Lebens.“
„Was für eine Widerlichkeit!“ Janus regte sich richtig auf.
„Na ja, ich hab es ja überlebt.“
„Aber trotzdem, so was ist einfach …“
„Jetzt gibt es nichts mehr, was du nicht über mich weißt“, unterbrach ich ihn.
Janus beendete seinen Satz nicht. Er rückte näher zu mir und nahm mich in seine Arme. Ich schloss die Augen und atmete seinen wundervollen Duft ein.
Wir sanken auf die Matratze. Ich spürte, dass Janus sich gar nicht recht traute, mich zu berühren. Was war ich nur für eine komplizierte Eisprinzessin. Das wollte ich einfach nicht mehr sein. Ich schob meine Hände unter sein Shirt und strich ihm über seine Brust, seine Schultern und seinen Rücken. Seine Haut fühlte sich so samtig und glatt an.
„Neve, wir haben ganz viel Zeit, du musst nichts, wenn du nicht …“
„Ich will aber“, unterbrach ich ihn, nahm seine Hand und führte sie unter mein Shirt. Janus streichelte mich ganz sanft und löste ein wundervoll wohliges Kribbeln an meinem ganzen Körper aus. So etwas hatte ich noch nie empfunden. Es war einfach himmlisch. Er sollte nie wieder damit aufhören.
„Fühlt sich alles ganz warm und echt an“, flüsterte er, stützte sich mit der anderen Hand auf und sah mich an.
Ich beobachtete seine Lippen und strengte mich an, nicht plötzlich Nacktschnecken zu sehen. Es war so ein fieser Fluch. Ich drückte Janus auf den Rücken, beugte mich über ihn und zog ihm sein Shirt aus.
„Neve …“, sprach er verwundert.
„Du musst aufhören, in mir einen Engel zu sehen“, antwortete ich und bewunderte seinen nackten Oberkörper. Er sah einfach umwerfend aus. Und dann bedeckte ich seine Brust mit lauter kleinen Küssen.
Wir verbrachten die halbe Nacht damit, unsere Körper zu erkunden, ehrfürchtig und zärtlich. Oh je, ich war schon zweiundzwanzig und immer noch Jungfrau. Obwohl, weil ich die letzten sieben Jahre nur halb am Leben gewesen war, konnte man die Hälfte der Jahre doch abziehen, oder?! Also war ich eigentlich erst achtzehn. In dieser Nacht war ich mir jedenfalls sicher, dass ich Janus irgendwann küssen würde, und dann ...
Alles, was früher geschehen war, trat in den Hintergrund, und das tat wohlig gut. Es gab nur noch Janus und mich und den magisch glitzernden Sternenhimmel über uns, und irgendwann schliefen wir eng aneinandergeschmiegt ein.
Kapitel 47
Erst verlief alles ganz normal. Wir kauten unsere Minnerennienblüten, die in dem polnischen Waldgürtel hinter den Dünen genauso üppig wuchsen wie in Berlin, und begannen einige Minuten später Hand in Hand durch den Minnerennien-Tunnel zu laufen, während die magische Blase von Danzig hinter uns verschwamm und kurz darauf vollständig verschwand.
Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Ich spürte ein immer stärker werdendes Beben.
„Was ist das?“
Janus blieb ruhig. „Bestimmt sind wir gleich da.“
Aber dem war nicht so. Während uns der Tunnel zwang, unsere Schritte zu beschleunigen, als stünden wir auf einem Laufband, das auf einmal schneller lief, begannen sich die Blütenwände links und rechts in Falten zu legen, als wären sie aus Stoff.
„Irgendwas ist nicht in Ordnung“, sagte ich, sah Janus ängstlich an und griff nach seinem Arm.
Wir konnten nicht zurück, wir konnten nur weiterrennen. Wir waren der Situation völlig ausgeliefert. Gewaltsam wurde ich von Janus weggerissen und vorwärts katapultiert, als hätte mich eine Orkanböe ergriffen. Ich schrie verzweifelt und landete hart auf dem Boden.
Etwas stieß schmerzhaft gegen meinen Rücken. Es war Janus’ Kopf. Er tastete nach mir und dann umschlang er mich mit seinen Armen. Wir lagen beide auf dem Rücken. Um uns herum rauschte es, als befänden wir uns unter einem tosenden Wasserfall, die Blütenwände waren zerrissen, begannen wegzublättern wie alte Farbe und wichen einer gleißenden Helligkeit. Ich hielt schützend den Arm vor die Augen. Eins war klar: Wir befanden uns nicht im magischen Wald. Janus zog mich hoch.
„Komm, wir müssen hier weg.“
Aber wohin? Mir tat von dem Sturz alles weh. Langsam gewöhnten sich meine Augen an das grelle Licht. Zuerst sah ich nichts als Sand. Wir liefen ein paar Schritte und blieben wieder stehen. Dann ragte vor uns eine glitzernde Skyline
Weitere Kostenlose Bücher