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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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tut mir so leid, so unendlich leid, aber ich konnte nicht anders. Ich konnte die Last meines Lebens nicht weiter tragen.
    Ich glaube, dass jede Mutter und jeder Vater eine bestimmte Botschaft mit sich trägt, die sie oder er seinem Kind mit auf den Lebensweg geben möchte. Ich bin Förster, verbunden mit der Natur und sicher kein guter Briefschreiber. Deswegen schreibe ich meine Botschaft einfach ganz direkt heraus:
    Habe vor dem Menschen, den du liebst, der dein engster Begleiter durch das Leben sein soll, nie Geheimnisse. Man muss zu demjenigen, den man am meisten liebt, immer ehrlich sein. Immer und in allem .
    Wenn du das beherzigst, wirst du ein glückliches Leben führen.
    Deine Mutter und ich, wir haben uns geliebt, und dich haben wir uns sehr gewünscht. Du sollst wissen, dass so alles anfing und dass du damit durch ein goldenes Tor in das Leben getreten bist, egal, welche dunklen Wolken sich danach über alles gelegt haben.
    Der Mann, der dir diesen Brief übergibt, ist ein guter Freund von mir. Er weiß mehr über mich als deine Mutter. Darin liegt der ganze fatale Fehler, der sie das Leben gekostet hat. Du kannst ihn fragen, alles, was du ihn fragen möchtest, alles, was in einem Brief wie diesem niemals Platz finden kann, und er wird dir ehrlich antworten. Das verspreche ich dir. Erinnere dich an dieses Versprechen, falls dir seine Erzählungen seltsam vorkommen sollten. Vertraue ihm und darauf, dass die Welt größer ist, als sie aussieht. Weißt du, wie dein Spitzname entstanden ist? Wir lagen am Ostseestrand und du hast immer auf den Himmel gezeigt, immer wieder mit deinem winzigen Zeigefinger.
    ,Niebo‘, habe ich dir erklärt und du hast versucht, es nachzusprechen ‚Neve, Neve‘ hast du ein paar Mal wiederholt und dann abwechselnd auf den Himmel und auf dich selbst gezeigt. Es war dein allererstes Wort.
    Ich liebe dich, auch wenn ich es nie zeigen konnte. Ich werde dich immer lieben.
    Dein Vater
     
     
    Das Meer vor dem Fenster verschwamm. Vor ein paar Stunden hatte ich mit meinem Vater noch gelacht und jetzt rannen mir die Tränen über das Gesicht. Wie sollte ich das alles nur zusammenkriegen? Wie sollte ich daraus ein funktionierendes Bild in meinem Inneren formen, das sich abspeichern ließ?
    Mein Vater lebte und war glücklich. Er strahlte Lebensfreude aus. Ich konnte ihn jederzeit wieder besuchen, wenn ich wollte. Gleichzeitig existierte der Vater, den ich gehabt hatte, schon lange nicht mehr.
    Und jetzt erhielt ich eine Botschaft von ihm, las ich einen Brief, in dem er mir schrieb, dass er mich liebte. Nicht nur meine Mutter, sondern auch mich. Es war schmerzlich zu lesen, wie er mir alles zu erklären versuchte, obwohl er mir doch nichts erklären konnte. Wie er mir ans Herz legte, meinem Liebsten in allem die Wahrheit zu sagen und wie er einen Weg zu finden versucht hat, damit auch ich die Wahrheit erfuhr. Die Wahrheit über die magische Welt, an die ich vielleicht nicht glauben würde. Und an die meine Mutter vielleicht auch nicht geglaubt hätte, wäre er ehrlich zu ihr gewesen.
    Warum war er davon ausgegangen, dass ich keine magischen Fähigkeiten geerbt hätte? Ich konnte es mir nur damit erklären, dass es kurz nach meiner Geburt keinerlei Zeichen dafür gegeben hatte, wie beispielsweise den silbernen Rand um die Pupillen des Neugeborenen, der nach ein bis zwei Tagen wieder verschwand. Manchmal war auch die Iris wie ausgefranst an den Rändern und besaß dort kleine Lichtpunkte oder man konnte in den Pupillen ein tiefblaues Licht erkennen. Wenn sich von alldem nichts zeigte, war das Kind zu achtundneunzig Prozent nicht magisch begabt.
    Achtundneunzig Prozent. Das hieß, dass zwei Prozent übrig blieben und die mussten die einzige Erklärung sein. Das passte zu meiner Geschichte. Bei mir hatten sich die Symptome nicht über einen längeren Zeitraum entwickelt, bei mir war alles ziemlich abrupt gegangen, aus einem Trauma heraus, weil meine Oma überraschend gestorben war.
    Die Tür zum Zimmer öffnete sich leise, und Janus schaute herein. Ich wischte mir die Tränen von den Wangen.
    „Darf ich?“, fragte er vorsichtig.
    Ich nickte. Er kam zu mir und setzte sich. Wir schauten beide aus dem Fenster.
    „Er ist glücklich jetzt“, sagte ich.
    „Das glaube ich auch.“
    „Und … Er hat mich geliebt.“
    Janus nickte.
    „Und … Ich mag Küssen nicht, weil ich mit fünfzehn dachte, endlich würde mich der Junge küssen, den ich seit der ersten Klasse liebte. Ich schloss die Augen,

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