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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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holte ich meine Bücher hervor, schob das weiße Tuch zur Seite, mit dem das Regal abgedeckt war, und reckte mich nach oben, um sie in das oberste Fach zu stellen. Dabei übersah ich eine uralte Wärmflasche aus Zinn. Sie rutschte aus dem Fach und landete scheppernd auf dem Boden. Mist. Ich hielt inne und lauschte. Hatte mich jemand gehört?
    Grete und Tom waren nicht da. Viktor schlief seinen Rausch aus, und bei Emma war ich mir sicher, dass sie nichts hörte, weil sie sich, wie meistens, ganz in der Welt eines Buches befand. Es konnte mich also gar keiner bemerkt haben. Mit einem Seufzer hob ich die Wärmflasche auf. Ein verbeultes silbernes Ding, das einem mit heißem Wasser gefüllt bestimmt sofort die Füße verbrannte.
    „Was tust du hier?“
    Erschrocken fuhr ich herum und ließ die Wärmflasche gleich noch mal fallen. Aus der Dunkelheit des Seitenflügels trat Tom hervor. Er musste die ganze Zeit schon dort gestanden haben.
    Ich starrte ihn mit großen Augen an. Er trug einen hellen Wollpullover und schwarze Röhrenjeans, verschränkte die Arme und musterte mich von oben bis unten. Die Wärmflasche lag auf meinem linken Fuß, und ich bekam keinen Ton heraus.
    Zuerst musterte er mich wie einen Dieb, den er erwischt hatte, aber jetzt veränderte sich etwas in seinem Gesicht. Erstaunen mischte sich in seinen Ausdruck.
    „Ich kenne dich. Du warst im Absturz letztens und hast dein Wasser gar nicht getrunken.“
    Meine Augen wurden noch größer.
    „Hier oben findest du jedenfalls kein heißes Wasser.“
    Ich suchte verzweifelt nach Worten.
    Gleichzeitig bückten wir uns nach der Wärmflasche. Dabei stießen fast unsere Köpfe zusammen und unsere Hände berührten sich. Ich zuckte zurück und er auch.
    „Puh, die sind ja eiskalt!“ Er starrte verdattert auf meine Hände. Ich versteckte sie peinlich berührt hinter meinem Rücken.
    Dann ließ er seinen Blick über das Bett und die Bücher gleiten, die ich gerade ins Regal gestellt hatte und sagte: „Du kannst hier nicht wohnen. Bei den Temperaturen holst du dir den Tod. Nun sag schon, bist du irgendwo abgehauen, oder was?!“
    Ich nickte einfach und blickte in seine dunkelblauen Augen.
    Er gab mir einen forschenden Blick zurück. Plötzlich zog er seinen Pullover über den Kopf und gab ihn mir.
    „Komm, zieh das an.“
    Ich tat wie geheißen und fragte mich im selben Moment warum?
    Endlich fand ich meine Sprache wieder. „Ich habe Sachen.“
    Er sah mich fragend an. „Hier.“ Ich zeigte auf meinen Rucksack.
    „Dann nimm sie mit.“
    Ich sah ihn fragend an.
    „Keine Angst, ich werfe dich nicht raus. Aber hier oben kannst du nicht bleiben.“
    Seine Stimme war jetzt viel sanfter als am Anfang. In mir ging es drunter und drüber und ich war völlig außerstande, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn, die Situation in den Griff zu kriegen.
    Tom hatte mich also in der Kneipe sehr wohl wahrgenommen. Ich spürte, dass er sich an den Traum mit mir erinnerte. Er kümmerte sich offiziell um mich, weil er dachte, ich wäre in Schwierigkeiten, und insgeheim, weil er von mir geträumt hatte. Ich stand immer noch wie angewurzelt da. Er griff nach meinem Rucksack und hängte ihn sich über die Schulter.
    „Nun komm erst mal ins Warme.“
    Endlich gehorchten meine Beine und ich folgte ihm.
    Tom führte mich in die Wohnung in der ersten Etage unter der Wohnung von Grete, die mit den weiß gestrichenen Wänden und den alten Öfen. Er ging in das vordere Zimmer und stellte den Rucksack ab.
    „Ich habe letztens einen Radiator im Bad aufgestellt, damit mir die Rohre nicht einfrieren. Den Ofen vorne kann man noch heizen. Der Keller steht unter Wasser. Aber im Erdgeschoss unter dir liegt lauter Abbruchholz und auch Kohlen. Da kannst du dir was holen.“
    Er drehte sich zu mir um und sah mich misstrauisch an: „Kannst du heizen?“
    Bestimmt machte ich nicht den Eindruck, aber in unserem alten Forsthaus hatte ich jeden Tag geholfen, die Öfen zu befeuern.
    „Ja, kann ich. Aber ich friere nicht so leicht.“
    Er machte ein ungläubiges Gesicht, sagte jedoch nichts dazu.
    „Gut, du kannst hier erst mal bleiben.“
    „Ich …“
    „Du brauchst mir nichts zu erklären, ist schon okay. Das Haus gehört mir. Hierher kommt keiner.“
    „Das Haus gehört … dir?“
    „Ja, es ist mein Haus“, sagte er noch einmal mit Nachdruck und ich wusste, dass er an den unseligen Japaner dachte.
    „Ich frage meine Nachbarn. Sie werden gewiss eine Matratze und was du so

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