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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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haben.“
    Kira knotete mit einer flinken Bewegung ihr Haar zusammen. „Okay, bis später … und …“ Sie sah mich ein wenig traurig an. „Na ja … schade, dass es so dumm gelaufen ist für dich. Du, du siehst einfach total süß aus, wenn du rote Wangen hast. So lebendig.“ Sie lächelte etwas verlegen, drehte sich um und sprang flink die Wendeltreppe hinunter in die Küche.
    Ich fühlte mich geschmeichelt und betrachtete mich in dem Spiegel vor mir. Meine Wangen schimmerten tatsächlich rosa, auch wenn die eine mit Schorf bedeckt war. Und ja, es gefiel mir sogar selbst. Ich erinnerte mich an die Schneeballschlacht mit Janus. Da waren meine Wangen zum ersten Mal richtig rot geworden, und ihm hatte es auch gefallen. Kiras Kompliment berührte mich viel mehr, als mir lieb war. Aber ach, was sollte der ganze Stress, nur um ein paar rosa Wangen zu haben! Es war kein bisschen wichtig.
    Ich öffnete meinen Kleiderschrank und suchte mir mein Lieblingsshirt mit den aufgestickten weißen Blümchen und meine weiten weißen Leinenhosen, die mir bis zum Knie gingen, heraus –das Outfit von damals, als ich Kira am See gefunden hatte.
    Dabei dachte ich an Janus. Mich ließ das Gefühl nicht los, dass er für das Desaster mit Tom büßen musste, obwohl er überhaupt nichts dafür konnte. Bestimmt würde er traurig sein, mich nicht mehr zu sehen.
    Ich sollte ihm einen Brief schreiben und ihm erklären, warum ich plötzlich verschwunden war. Dass ich abreisen musste, wegen meiner Familie. Ich konnte mir alles Mögliche ausdenken, denn ich hatte ihm so gut wie nichts aus meinem Leben erzählt. Zum Glück.
    Ich entschied mich, zuerst an Janus zu schreiben und danach hinauszugehen und Kim aufzusuchen, setzte mich an meinen Schreibtisch, zog eine Briefkarte hervor und öffnete meinen Füller.
     
    Lieber Janus,
    es tut mir leid, dass ich dir in der nächsten Zeit nicht weiterhin helfen kann, deine Bücher zu ordnen, aber ich musste ganz plötzlich nach Hause zu meiner Familie. Ich kann das jetzt nicht alles so genau erklären, aber ich werde es später tun. Mach dir auf jeden Fall keine Sorgen. Ich werde mich ganz bestimmt melden, wenn ich wieder zurück bin.
    Liebe Grüße
    Neve
     
    Den letzten Satz hätte ich mir am liebsten verkniffen, aber ich musste ihn irgendwie schreiben. Es ging nicht anders. Wie würde der Brief sonst aussehen? So, als wollte ich alles in der Schwebe oder auslaufen lassen. Eigentlich wollte ich das ja auch. Es war eine dumme Idee gewesen, auf einmal ein Leben in der Realwelt zu beginnen, mit Freunden und Verpflichtungen. Das war doch nichts für mich. Ich hatte unverantwortlich und kopflos gehandelt, überhaupt nicht über die Folgen nachgedacht.
    Okay, Grete würde früher oder später hier auftauchen. Und Tom, er hatte ja Charlie. Auch wenn Kira bestimmt richtig damit lag, dass ich wohl eine besondere Freundin für ihn war. Bei dem Gedanken schmerzte sofort wieder mein Herz und ich griff danach, als könnte man diese Art Schmerz mit ein wenig Druck auf den Brustkorb lindern. Wie auch immer, Tom und Grete, das würde irgendwie klargehen.
    Nur Janus, ihn musste ich wohl vor den Kopf stoßen. Ich konnte schließlich nicht immer mal bei ihm auftauchen, ohne ihm zu erklären, wo ich wohnte und was ich sonst so trieb. So viele Geheimnisse würde keine Freundschaft aushalten.
    Entschlossen steckte ich den Brief in einen Umschlag und beschloss, mich bei Lilonda zu revanchieren. Ich wollte den Brief nicht offiziell bei Pio in die Post geben. Noch nie hatte ich von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und sicher würde er auch fragen, warum ich ihn bei einem meiner nächsten Ausflüge nicht selbst in einen Briefkasten stecken oder überbringen konnte.
    Die Einkäufe in der realen Welt würden das geringere Problem sein. Else, unsere Akademie-Köchin, die mich immer wie ihre Tochter behandelte, kaufte gerne für mich mit ein. Na ja, und Kira, ihre Klamotten, mit denen ich sie ausgestattet hatte, würden zweifellos noch eine ganze Weile reichen. Bis dahin wäre ich wieder ganz die Alte. Vielleicht dauerte die Rückverwandlung nicht mal ein halbes Jahr. Meine Lebensgeister waren schließlich erst seit Kurzem wieder geweckt.
    Der Weg zum Ätherdurchgang zog sich ewig hin. Wegbiegungen wiederholten sich und auf einmal lief ich eine Wegstrecke noch einmal entlang, die ich bereits hinter mich gebracht hatte. Die Übergänge der in die Länge gezerrten oder verkürzten Wege waren so unauffällig, dass man sie einfach

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