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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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irritiert an und machte dann eine abwehrende Geste.
    „Märchenbücher. Dafür ist es jetzt wohl zu spät.“
    „Dann eben Fantasy-Romane.“
    „Fantasy-Romane? Wozu sollte ich Fantasy-Romane lesen?“
    Jetzt war ich irritiert.
    „Na, einfach, um sich in andere Welten zu träumen und sich vorzustellen, alles wäre wahr.“
    „Das ist nicht befriedigend.“
    „Nun, dann hast du wohl mehr mit deinem Vater gemeinsam, als du denkst.“
    Charlie öffnete den Mund, aber nichts kam heraus. Sie stolperte über ihre eigenen Beine und ließ sich auf die Matratze fallen.
    „Ich meine, brauchst du einen Beweis für dich oder für deinen Vater?“
    „Ich? Ich brauch keinen Beweis. Ich …“ Sie kippte zur Seite und ließ den Kopf auf ihre Arme fallen, sodass ich nur noch ihren Hinterkopf sah. „ … bin müde.“
    Charlie rührte sich nicht mehr. Dachte sie über das nach, was ich soeben gesagt hatte? War es zu hart gewesen?
    Kurze Zeit später hörte ich sie schnarchen.
     
    Ich deckte Charlie mit der Wolldecke zu. Dann erhob ich mich, nahm meinen schwarzen Mantel und verließ die Wohnung. Unten vor der Haustür wehte mir ein eisiger Wind ins Gesicht. Ich zog meine Mütze tief in die Stirn und machte mich auf den Weg zum nächsten Imbiss um die Ecke.
    Es fühlte sich seltsam beschwerlich an, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Meine Beine kamen mir wie Blei vor und mir war immer noch etwas übel. Die frische Luft machte es irgendwie nicht besser. In der realen Welt war es auf jeden Fall unmöglich, sich wieder das Essen und das Trinken abzugewöhnen.
    Zwei Minuten später umfing mich die bullige Wärme des Imbissladens. Zum Glück war niemand vor mir dran. Ich bestellte eine mit Spinat gefüllte Teigtasche und eine große Fassbrause und ließ mich auf den erstbesten Hocker neben der Tür fallen. Die Bedienung war so nett, mir die Fassbrause zu bringen. Die Hälfte davon trank ich in einem Zug leer. In meinem Hinterkopf schwoll ein immer stärker werdendes Hämmern an. Oh je, das waren Kopfschmerzen. Und ich besaß keine einzige Schmerztablette.
    Ich stopfte das Essen in mich hinein, aber danach ging es mir nicht bedeutend besser. Inzwischen schwitzte ich in dem Mantel und der Wärme des Ladens, als befände ich mich in einer Sauna. Ich musste wieder raus. Sofort. Den Rest der Teigtasche aß ich draußen auf der Straße.
    Ich lief durch die Dunkelheit und atmete die kalte Luft tief ein und aus. Irgendwann merkte ich, dass ich auf dem Weg zu Janus war, ohne dass ich das geplant hätte. Eine Straßenuhr zeigte kurz nach dreiundzwanzig Uhr. Ob er noch wach war? Wahrscheinlich schon.
    Einige Minuten später stand ich vor seiner Toreinfahrt. Aber ich traute mich nicht hinein. So ein Blödsinn, ermahnte ich mich. Janus würde sich freuen. Und ich, ich würde mich auch freuen, ihn zu sehen. Irgendwie wollte ich gerade nicht allein sein. Das kam selten vor, und ich wunderte mich über dieses Gefühl.
    Ich presste die Hände gegen den Kopf. Meine Kopfschmerzen verschlimmerten sich mit jeder Minute. Janus hatte bestimmt eine Schmerztablette für mich.
    Vorsichtig spähte ich durch die Einfahrt zum Hof, aber ich konnte nicht weitergehen. Ich war zu stolz, bereits einen Tag später wieder bei ihm vor der Tür zu stehen. Und ich wollte nicht schon wieder in einem Ausnahmezustand bei ihm klingeln. Nein, ich würde alleine klar kommen. Ich drehte um und lief nach Hause. Wahrscheinlich hatte ich einfach nur viel Schlaf nachzuholen.
    Mühsam schleppte ich mich die dunklen Treppen im Hausflur hinauf. Auf einmal kam ich mir vor, als würden mindestens achtzig Jahre auf mir lasten. Meine Hände waren eiskalt und zitterten, gleichzeitig schwitzte ich, vor meinen Augen flimmerte es und mein Atem fühlte sich heiß an. Ich wollte jetzt auf keinen Fall allein sein. Was, wenn ich sterben würde und niemand bemerkte es? Der Gedanke jagte mir einen Schauer über den Rücken.
    Vielleicht streikte mein Körper nun doch wegen der vielen Veränderungen. Ich spürte, wie mein Herz raste. Nach meinem letzten Zusammenbruch bei Janus hatte es Wunder gewirkt, unsichtbar zu werden. Schlagartig war es mir wieder gut gegangen. Ich keuchte bei jeder Stufe und lief trotzdem an meiner Wohnungstür vorbei zum Dachboden hinauf. Wenn Charlie drinnen noch schlief, wollte ich auf keinen Fall vor ihr herumexperimentieren.
    Ich versuchte, unsichtbar zu werden und rang um Konzentration, obwohl meine Kopfschmerzen inzwischen unerträglich in meinem Gehirn rasten.

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