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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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aufzurichten. Ich hatte zum ersten Mal wieder geträumt, nach vielen Jahren. Und zwar von meinem Vater. So real und lebendig war er mir im Traum erschienen. Ich hatte sein Gesicht genau gesehen, seine wettergegerbten Züge mit den starken Furchen auf den Wangen und auf der Stirn. Seine blauen Augen, mit denen er mich liebevoll angesehen hatte. Er war viel älter als in meiner Erinnerung. So alt, wie er jetzt ungefähr sein müsste. Der Traum kam mir so real vor, als wären wir bis eben zusammen gewesen.
    Im Augenwinkel spürte ich eine Träne und wischte sie hastig weg. Träume – sie konnten einem Angst machen, und selbst wenn sie schön waren, konnten sie einem wehtun.
    Es rumste laut im Flur. Ich zuckte vor Schreck zusammen und sprang auf.
    Dann hörte ich Charlies Stimme: „Hey, Neve, isch weiß, dass dudabist. Mach auf, bidde.“
    Ich knipste das Licht im Flur an, öffnete die Tür und Charlie rutschte mir direkt auf die Füße, weil sie sich auf dem Fußabtreter niedergelassen und gegen das Türblatt gelehnt hatte.
    „Oh, sorry. Isch habe su viel getrunken. Isch gebe es sofort su“, lallte sie und versuchte sich hochzurappeln.
    Ich zog sie am Arm hoch.
    „Seit heut Nachmittag hab isch gewartet, dass du mal rauskommst, aber bis du nich. Isch wollt ja nisch schon wieder störn. Und dann habe ich die swei Flaschen Wein eben leergemacht, weil ich aufgeregt bin, weis du. Es is total aufregend! Ich bin sowas von froh, dass du wieder da bis. Ich könnde sons nich weidermachen …“
    Ich verstand kein Wort von dem, was Charlie mir zu vermitteln versuchte. Sie trug knallenge, dunkelblaue Jeans, eine dicke Felljacke bis zur Taille und dazu knallrote Stiefel, einen knallroten Schal und eine knallrote Mütze. Ihre Augen waren glasig vom Wein. Aber selbst betrunken sah sie einfach umwerfend aus.
    Charlie stolperte den Flur entlang ins Zimmer und ließ sich samt ihrer großen Tasche auf meine Schlafstelle fallen. Sie fingerte umständlich den Reißverschluss auf und holte einen ganzen Satz vergrößerter Fotos hervor.
    „Komm her. Das mussu dir ansehn!“
    Die ersten Fotos stammten aus dem Keller. Auf den Vergrößerungen konnte man jetzt deutlich Schemen einer Katze erkennen. Mal waren sie blau, mal orange, mal grün, mal weiß. Auf jedem Foto anders. Charlie atmete tief durch und gab sich Mühe, deutlich zu sprechen.
    „Mit der Katze stimmt schon mal was nich. Das Farbspektrum beweist es. So deudliche Aufnahmen habe ich noch nirgends gesehen. Isch muss diese Katze einfangen und sie untersuchen.“ Charlie legte die Fotos ab und holte einen weiteren Stapel hervor. Ihre Hände zitterten, während sie ihn in der Hand hielt. „Aber das hier, das ist noch viel aufregender. Die stammen von heute früh vom Dachboden.“
    Ich spürte einen Stich durch meine Mitte gehen. „Von heute früh?“
    „Du warst dort mit Grete. Deswegen weiß ich ja, dass du zurück bist. Das da oben ist eine Aura-Kamera. Und nun schau dir mal deine Aura an und die von Grete.“
    Ich nahm den A4-großen Abzug, den Charlie mir hinhielt. Grete und ich saßen auf dem Metallbett. Mich umgab ein vollständiger Lichtkranz aus hellblauem Licht mit winzigen dunkelblauen Punkten darin. Gretes Gestalt rahmte ein deutlich schwächerer Lichtkranz aus Dunkelblau, durchzogen mit schwarzen Schlieren.
    „Das sieht hübsch aus“, sagte ich. „Und blau gefällt mir natürlich. Ich habe schon öfter davon gehört, dass man seine Aura fotografieren lassen kann.“
    „Nein, du verstehst nicht. Das sind keine Aura-Fotos wie auf Esoterik-Messen. Jeder Mensch ist von einem elektromagnetischen Feld umgeben. Aber diese Aufnahmen hier zeigen ein Energiebild, das mit herkömmlicher Physik nicht erklärt werden kann.“ Charlies Augen leuchteten. Sie wirkte wieder vollkommen nüchtern. Ihre Leidenschaft für das Thema schien den Alkohol zu besiegen.
    „Mit mir und Grete soll irgendwas nicht stimmen?“ Ich versuchte, erstaunt zu klingen.
    „Genau! Neve, du musst mir sagen, was du weißt. Was ist es? Gibt es irgendwas, was du verheimlichst, was eine Erklärung wäre? Ich brauche dich, um das alles zu erklären.“
    Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Steht dazu nichts in deinen Büchern?“
    Charlie seufzte. „Gut, dann ist es was, wovon ihr selbst nichts wisst. Aber das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.“
    „Mit mir, Grete und noch einer streunenden Katze – alle aus demselben Haus – soll irgendwas nicht in Ordnung sein?“
    Nach außen

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