Schattenmenagerie
schieben
zu können! – Etwas plump, aber genauso hätte ich das auch gemacht.«
»Und denk an das schlecht gespülte
Weinglas. Als ob wir von der Kripo mit der Nase darauf gestoßen werden sollten.
Und außerdem gibt es keine Anzeichen eines gewaltsamen Eindringens in das Haus.
Der Täter muss ganz legal den normalen Hausschlüssel benutzt haben. Es sei denn,
er hat sich auf irgendeine Weise einen Nachschlüssel besorgt. Wir mussten ja geradezu
auf den Herzog oder seinen Sohn als Tatverdächtigen stoßen.«
»Aber warum? Wer hätte denn Interesse
daran, ihn als Mörder lebenslänglich hinter Schloss und Riegel zu sehen?«
»Genau die Frage ist mir auch schon
durch den Kopf gegangen. Im Moment sehe ich keinen sinnvollen Grund. – Was haben
denn die beiden Fälle wirklich gemeinsam?«
»Beide Spuren führen nach Eutin.«
»Richtig, aber wohin genau? Stolberg
lebte in der Innenstadt, der Herzog auf seinem Gut Altenburg. Wir wissen, dass sie
als Jäger befreundet waren, mehr aber nicht.«
»Doch! Sagtest du nicht, der Stolberg
wäre im Vorstand des Stiftungsrats Schloss Eutin? Das ist doch auch der Herzog.«
»Gut kombiniert, Micha. Du wirst
noch mal eine gute Kriminalassistentin. – Aber vorläufig bleiben der alte und der
junge Herzog unsere Hauptverdächtigen.«
»Warum denn nicht auch die Herzogin?«,
wagte das Mädchen einzuwenden.
»Du hast recht. Natürlich dürfen
wir die auch nicht aus den Augen verlieren. Aber ich glaube, Frauen sind schlechte
Mörder. Sie handeln intuitiv. Nicht so planvoll, wie es hier den Anschein macht.«
»Na hör mal! Was sollen denn diese
billigen Klischeevorstellungen über uns Frauen? – Vielleicht hat sie ja einen Geliebten,
der für sie die Drecksarbeit getan hat. In den Fernsehkrimis ist das immer so.«
Kroll lachte kurz auf. »Na, warten
wir’s mal ab. Die Realität ist immer anders als in Fernsehkrimis. Wir sollten die
Herzogfamilie erst einmal kennenlernen, bevor wir weiterkriminalisieren.«
Ohne weiter über den Fall zu diskutieren,
erreichten sie Eutin. In der Nähe des Schlossgartens bat Micha ihren Onkel: »Setz
mich doch bitte hier ab. Meine Freundin wartet schon auf mich.«
»Also wie gehabt: Wir bleiben über
Handy in Kontakt.«
Kapitel 11: Gut Altenburg
Der Wohnsitz derer zu Altenburg war nicht einfach zu finden. Er versteckte
sich geschickt im Hintergrund eines Gehöfts, das wie ein ganz normaler, allerdings
auf den ersten Blick etwas heruntergekommener Gutshof aussah. Der Herzog liebte
es nicht, im Rampenlicht des öffentlichen Interesses zu stehen. Obwohl er sich für
das Schleswig-Holstein-Musikfestival engagierte, war sein Hof, im Gegensatz zu vielen
anderen Herrenhäusern, kein Ort internationalen Musiklebens. Auch zeugte nichts
von der Tatsache, dass der Herzog auf der Erbliste der dänischen Könige stand.
Beim Anblick
einer halbverfallenen Scheune wollte Kroll schon umkehren, da entdeckte er hinter
ein paar verwilderten Büschen das stattliche Haupthaus, ein spätbarocker, zweigeschossiger
Dreiflügelbau aus Backstein. Auf dem etwas zurückliegenden Mittelteil thronte ein
die Architektur beherrschender dreieckiger Risalit, der eine riesige Uhr beherbergte.
Sie wirkte wie ein überdimensionales Vanitassymbol. Als wollte sie dem Besucher
klarmachen, dass alles vergänglich ist, auch die barocke Pracht des hunderte Jahre
alten Profanbaus. Eine weit ausladende Steintreppe stieg auf zum reichlich verzierten
Hauptportal.
Kroll parkte
seinen Wagen etwas abseits, weil er sich nicht traute, das vornehme Bild der rosengeschmückten
Rondelleinfahrt mit seinem rostigen Mini Cooper zu verunstalten. Ein proper aussehendes
Dienstmädchen führte ihn in den erlesen eingerichteten Salon. Hell flutete das Tageslicht
durch die hohen Fenster und brach sich im mächtigen Kronleuchter und in den barocken
Spiegelfassaden. Zahlreiche Jagdtrophäen, deren Ursprung Kroll nicht zu deuten vermochte,
hingen an den Wänden. In einer Nische stand ein Vitrinenschrank, der eine Reihe
von Gewehren barg, die der Inspektor allerdings benennen konnte. Unter anderem eine
Flinte mit kurzem Lauf. Ideal, wie Kroll wusste, um aus geringer Entfernung einen
Fangschuss abzugeben.
Neben einem Steinway-Flügel stehend,
begrüßte ihn die Hausherrin, Frau Cäcilie geb. von Zingst. Eine charmante und resolute
Dame, wie Kroll fand. Dezent und geschmackvoll gekleidet, bildete sie einen unübersehbaren
Gegensatz zum Inspektor, der mit seinem zerknitterten, offen wehenden Mantel,
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