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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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hier beim Bier, sondern wegen
Wilderei bei Wasser und trocken Brot.«
    Diese Schreckenswörter verbreiteten
sofort eine miese Stimmung. In unangenehme Gedanken vertieft, brüteten die beiden
eine Zeit lang vor sich hin. Jeder starrte in sein leeres Bierglas. Ob der Wirt
noch mal zwei neue ankreiden würde?
    Draußen war es längst dunkel geworden.
Über Eutin legte sich der typische norddeutsche Dauernieselregen. Im Alten Brauhaus
am Marktplatz hatten sich nur wenige Gäste eingefunden. Bei so einem Mistwetter
blieben die Menschen lieber zu Hause und schauten sich langweilige Fernsehkrimis
an. Am Nachbartisch saß ein einsamer Gast mit dem Rücken zu den beiden Vagabunden.
Es machte den Anschein, als sei er mit sich, der Welt und seinem Bierglas zufrieden.
Die beiden Burschen ahnten nicht, dass er sie mit gespitzten Ohren belauschte.
    Auf ihr flehentliches
Zeichen hin ließ sich der Wirt Gott sei Dank ein weiteres Mal erweichen, den beiden
eine frische Lage zu spendieren.
    »Geht auf
Rechnung des Herzogs«, versicherte Schmielke großspurig. »Der schuldet mir noch
eine Kleinigkeit. Schließlich war ich es, der ihm den Tipp mit dem Fünfender gegeben
hat. – Zahlt sich doch aus, wenn man im Wald Bescheid weiß!« Er lachte laut auf,
schlug seinem Kumpanen auf die Schulter und beugte sich vertraulich an sein Ohr.
»Der Herzog hat mir zum Dank seinen alten Jagdrock und einen ausgemusterten Lodenhut
vermacht. Damit aus dir noch ein guter Jäger wird, hat er gesagt.« Wieder lachte
er hell auf. »In der Tat, ich werde ihn nicht enttäuschen. – Aber auf meine Art,
verstehst du?« Er zwinkerte seinem Genossen listig zu. »Pass gut auf, was jetzt
kommt. Da kannst du was für’s Leben lernen!«
    Schmielke
nahm einen tiefen Zug aus seinem Bierglas und stellte es knallend auf den Holztisch,
sodass der Wirt aufmerksam wurde. Randale wollte er hier nicht haben. Aber es war
alles ganz harmlos. »Morgen Abend will der Herr Herzog auf Jagd gehen!«, rief der
Vagabund quer durch den Raum rüber zum Wirt. »Und ich hab ihm den Tipp gegeben!
– Wegen dem starken Damschaufler! – Oben beim Kolksee, beim herzoglichen Hochsitz.
– Da ist große Jagd angesagt! – Aber haltet euch da raus! Der Durchlaucht will allein
sein! Ist eben ein echter Jäger. Allein Aug in Aug mit dem Wild.« Er machte eine
bedeutungsvolle Pause und schaute wichtigtuerisch in die Runde. »Auf das Wohl unseres
Landesherrn!« Ein beifälliges Murmeln ging durch den Raum, obwohl der Titel etwas
zu hoch gegriffen war. Jetzt fühlte sich Schmielke sicher, dass seine Botschaft
angekommen war.
    Selbstzufrieden genehmigte er sich
einen weiteren kräftigen Schluck und näherte sich erneut dem Ohr seines Nachbarn.
»Ha, jetzt denken alle, der Herr würde morgen Abend durch die Wälder streifen! Da
wird es gar nicht auffallen, wenn ich mich an seiner Stelle ein wenig um den Wildbestand
kümmere. Weil, in seinen Klamotten, und außerdem hab ich so ungefähr seine Statur.
Und dann die Dunkelheit. Falls wirklich jemand vorbeikommen sollte, der wird mich
todsicher für den Durchlaucht halten.« Er grinste seinen Partner an, der sich angewidert
wegen der unangenehmen Bierfahne abwendete. »Aber wehe, du willst mich verraten!
– Du weißt, dass ich ein guter Schütze bin …« Der andere zuckte zusammen. »Schon
gut, aber eine Lende kannst du mir schon abgeben!«
    Der Mann am Nachbartisch gab dem
Wirt einen deutlichen Wink. »Alles klar«, erwiderte dieser. »Schreib ich auf Ihr
Konto, gnäd’ger Herr.«
     
    *
     
    Schwere, bizarr geformte Wolken hingen am Himmel Ostholsteins, als
hätten sich sämtliche Luftgeister der Umgebung zu einem unheilvollen Teufelstanz
versammelt. Die breitschultrige Elfenkönigin Titania ließ ihren blauschwarzen Reifrock
gespenstisch über die Fichtenwipfel rauschen, die sich unter seiner Last bedrohlich
zur Seite neigten. Der biegsame Luftgeist Ariel mit seinem dunkelroten Wolkenmantel
zischte lüstern hinter ihr her und schüttete sein Unheil über die bedrängte Natur.
Die Waldtiere verkrochen sich verängstigt in ihre Verstecke. In der Luft vibrierte
eine schaurig leise Natursinfonie.
    Das fahle
Licht des Halbmonds schaffte es nur selten, zum verwilderten Waldboden vorzudringen
und die Silhouette einer merkwürdigen Gestalt zu beleuchten. Der gebeugt durch das
Dickicht schleichende Mann versuchte, sich behutsam im Schatten der turbulent wallenden
Regenschleier zu halten, die sich über den Kolksee legten. Er war in einen

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