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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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einer
brutalen Bewegung, um ihr genauer ins Gesicht schauen zu können.
    »Bist du nicht die Kleine, die in
der Alten Schäferei wohnt?« Endlich ging eine erkennbare Reaktion von dem Mädchen
aus, das bejahend mit dem Kopf nickte. »Das ist nicht weit. Wir werden uns jetzt
beide da hinbegeben. Aber wehe, du versuchst zu türmen!«
    Er stieß seine Gefangene auf dem
schmalen Wanderpfad vor sich her, bis sie schnell die Bundesstraße erreichten, wo
er sein Auto unauffällig geparkt hatte. In wenigen Minuten waren sie vor der Tür
der Alten Schäferei.
     
    *
     
    Das Ehepaar Kriebgans fiel aus allen Wolken, als
es dem ungleichen Paar die Tür öffnete. »Caoba! Um Gottes willen, was ist passiert?«,
rief die Frau Kriebgans und nahm ihre Tochter tröstend in den Arm.
    Dorndorf wollte gleich einschreiten,
um jeden Körperkontakt aus ermittlungstechnischen Gründen zu unterbinden. Er sah
aber schnell ein, dass so viel Härte hier fehl am Platze war. »Ist das Ihre Tochter?«,
fragte er den etwas hilflos im Türrahmen stehenden Vater.
    »Ja, das ist sie«, antwortete der.
»Und – erlauben Sie mir die Frage: Wer sind Sie, und was hat das alles zu bedeuten?«
    »Ich bin Kommissar Dorndorf von
der Eutiner Zweigstelle der Lübecker Kripo. Ich muss Ihnen mitteilen, dass ich Ihre
Tochter auf frischer Tat an einem Ort erwischt habe, den wir aus bestimmten Gründen
seit gestern observieren. Leider hat die junge Frau mir gegenüber bislang jede Auskunft
verweigert, sodass ich sie auf unser Polizeirevier nehmen muss. Vorher wollte ich
sie allerdings mit ihren Eltern konfrontieren.«
    Frau Kriebgans brach in Tränen aus
und verbarg ihre Tochter ganz unter ihrer massiven Gestalt, als wolle sie sie niemals
dem Fremden preisgeben. Ihr Mann erklärte: »Kommen Sie bitte herein und setzen Sie
sich. So etwas kann man nicht zwischen Tür und Angel besprechen. – Sie müssen wissen,
dass unsere Tochter stumm ist. Sie kann überhaupt nicht sprechen.«
    Dorndorf spürte eine leichte Scham
in sich aufsteigen. »Das, … das war mir nicht bekannt. Bitte entschuldigen Sie.
Es war bestimmt nicht meine Absicht, die Gefühle Ihrer Tochter zu verletzen. – Aber
ich musste ja schließlich meine Pflicht tun. – Eigentlich sollte es nicht an die
große Glocke gehängt werden, aber nun glaube ich, es ist besser, dass auch Sie über
die Vorgänge informiert sind.«
    Der Kommissar erklärte dem Revierförster
kurz den Sachverhalt. Dieser reagierte völlig entgeistert, als er hörte, dass jemand
in seinem Revier verbotene Fangeisen gelegt hatte und dadurch ein Mensch ums Leben
gekommen war.
    Caoba und ihre Mutter hatten sich
inzwischen etwas beruhigt und setzten sich ebenfalls an den Tisch, über dem eine
gemütliche trichterförmige Korbgeflechtlampe hing. Endlich bekam Dorndorf eine Gelegenheit,
sein Opfer in Ruhe betrachten zu können.
    Das dunkelhäutige Mädchen entpuppte
sich als eine außergewöhnliche, exotische Schönheit. Eigentlich war sie kein Mädchen
mehr, sondern eine junge Frau, die durchaus die Blicke der Männer auf sich zu lenken
vermochte, fand Dorndorf. Insgeheim bedauerte er, dass er 30 Jahre zu alt war. Ihre
cremebraune Hautfarbe veranlasste ihn zu dem Schluss, dass sie einen weißen Elternteil
gehabt haben musste.
    Das Auffälligste an ihr waren die
Augen. Nicht besonders groß, eher schmal, aber von ungeheuer lebendiger Strahlkraft.
Aus dem klaren Augenweiß stachen die mahagonibraunen Iris mit den nachtschwarzen
Pupillen wie zwei auf einem weißen Seidentuch ausgebreitete Opale hervor. Rastlos
und scheu rollten sie hin und her, als wäre es ihnen unmöglich, einen Ruhepunkt
zu finden.
    Die weit hoch geschwungenen oberen
Augenbögen, fast doppelt so breit wie die Augenspalte, und von dünnen, aber tiefschwarzen
Augenbrauen abgerundet, thronten wie das Gewölbe einer gotischen Kathedrale über
den Augen und verliehen dem Gesicht Würde.
    Eine zierliche, fast etwas zu schmale
Nase stützte das Gewölbe wie eine filigrane Marmorsäule. Den Mund hielt die junge
Frau ständig einen kleinen Spalt geöffnet. Die sinnlich nach außen gewölbten, vollen
Lippen zuckten unaufhörlich.
    Eine wild zerzauste, ebenholzschwarze,
lange Naturlockenmähne umrahmte das ovale Gesicht. Ständig fielen ihr Strähnen in
die Augen, sodass Caoba ihre Lockenpracht mit fahrigen Bewegungen bändigen musste.
    Wie Whitney Houston in jungen Jahren,
fand der Kommissar, der die Sängerin ihrer starken Stimme wegen bewunderte, obwohl
er Popmusik eigentlich

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