Schattenmenagerie
bot sie ihnen nicht an. Wahrscheinlich
hoffte sie so, den lästigen Besuch möglichst schnell wieder loszuwerden.
Nicht gerade ladylike, dachte Kroll.
»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«,
fragte die Dame.
»Bei den Sachen des verunglückten
Grafen fand man eine Postkarte, die an Sie gerichtet war.« Kroll zog sie aus der
Tasche und überreichte sie der Adressatin. »Hier ist sie. Graf Stolberg hatte sie
noch nicht abgeschickt. Wir mussten sie Ihnen aus ermittlungstechnischen Gründen
leider bis heute vorenthalten. – Wenn Sie sie bitte lesen würden.«
Frau von Bülow überflog die Postkarte
kurz. »Ja, ja, der gute Stolberg. Schön, dass er an mich gedacht hat.«
»Kannten Sie sich gut, ich meine,
der Graf Stolberg und Sie?«
»Nun ja, wir waren recht gut befreundet.
Er ist nicht gerade in meinem Alter, wenn Sie vielleicht auf irgendeine Liaison
anspielen sollten. – Die Liebe zur Kunst brachte uns zusammen. Wir beide sind, ich
meine, – soll ich sagen: wir waren? – egal, jedenfalls haben wir so manches für
die Förderung des Schleswig-Holsteiner Musiklebens beigesteuert. – Dank des Erbes
meines verstorbenen Mannes kann ich es mir erlauben, finanziell in kultureller Hinsicht
recht großzügig zu sein.«
»Auf der Postkarte ist von einem
Projekt die Rede. Würden Sie mir dazu bitte Details nennen?«
»Nun, das alles war noch in der
Anfangsplanung. Wir suchten gemeinsam auf Mallorca nach einer passenden Immobilie,
nach einer Option, kinderreichen Touristen einen preiswerten Reiturlaub zu ermöglichen.
Ich hätte damit die Möglichkeiten meines Reiterhofs international ausbauen können.
Und damit wir auf staatliche Subventionen bauen konnten, sollte das Ganze einen
sozialen Touch bekommen. Edukative Begegnung von behinderten und normalen Kindern,
generationenübergreifendes Entdecken. Und so weiter. Sie wissen ja, das macht sich
immer gut, wenn man öffentliche Mittel verbauen will. Ich kenne mich in der Politik
gut aus, ich hab da so meine Beziehungen.«
Kroll spürte eine gewisse Abneigung
gegen das angeberische Verhalten seiner Gastgeberin. Eine wirkliche Lady von Adel
würde nicht so großspurig auftrumpfen, dachte er und unterbrach seine Gesprächspartnerin
etwas unwirsch: »Das klingt ja alles ganz vielversprechend. Aber, – gab es nicht
auch gewisse Spannungen zwischen Ihnen und dem Grafen, ich meine in Hinsicht auf
die Gestaltung der zukünftigen Festwochen?«
Frau von Bülow stutzte. Diese Frage
hatte sie nicht erwartet. Worauf wollte der Kriminalbeamte hinaus? »Ich sehe, Sie
haben sich gut informiert. Herr Stolberg und ich waren nicht immer einer Meinung,
als es um ein neues Konzept für die Festwochen ging. War ja auch in allen Zeitungen
zu lesen, dass es Probleme gab, die zu teilweise heftigen Streitigkeiten führten,
besonders im Rathaus. Ein Stadtvertreter beschimpfte seine Kollegen gar auf einer
Haushaltssitzung: Sie haben alle Leichen im Keller.«
Sie hielt einen Moment ein und konnte
sich eine ironische Anmerkung nicht verkneifen: »Und jetzt sind Sie hergekommen,
um nach einer Leiche in meinem Keller zu suchen?«
Kroll fand das nicht besonders witzig
und wollte sich nicht auf dieses Gesprächsniveau begeben. Also wiegelte er geschickt
ab: »Aber nein. Ich gehe davon aus, dass so eine kultivierte Frau wie Sie keine
Leiche im Keller versteckt.«
Die Gräfin fühlte sich sichtbar
geschmeichelt. Dadurch entging ihr, dass Krolls Formulierung die Möglichkeit nicht
ausschloss, sie könnte doch mit Leichen zu tun haben.
In versöhnlichem
Ton fuhr sie fort: »Ich und Stolberg waren immerhin engagierte Mäzene, da blieben
Meinungsverschiedenheiten nicht aus, besonders in künstlerischer Hinsicht. Ich bin
eine Frau der Tat, eine Geschäftsfrau. Ich habe es gelernt, mit meinem Geld umzugehen.
Ich wollte eine Oper, die auch Gewinn brachte. Stolberg war eher der Idealist, dem
es um hohe Kunst ging, egal, was sie kostete und egal, ob sie dem Publikum gefiel
oder nicht. – Aber das ist noch lange kein Grund, einem anderen Menschen den Tod
zu wünschen.«
Sie überlegte kurz, weil ihr einfiel,
dass sie etwas Wichtiges vergessen hatte. »Ich bedaure den tödlichen Unfall sehr.
Stolberg hinterlässt im Eutiner Musikleben eine Lücke, die nur schwer zu schließen
ist.«
Und so zog sich der Smalltalk hin,
ohne dass der Inspektor auch nur die Spur von Verwertbarem entdeckte. Irgendwann
kam der junge Herzog von Altenburg ins Gespräch.
»Ja, mit Peter Anton von Altenburg
stehe ich in bestem
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