Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
Vom Netzwerk:
trocknete es mit einem Taschentuch.
»So, nun sehen Sie gleich viel besser aus.« Caoba drückte ihm dankbar die Hand.
    Er betrachtete
sie eine Weile nachdenklich. Eigentlich ein hübsches Weib, ging es ihm durch den
Kopf. Viel sinnlicher als meine Theresa, dieses einfältige Dienstmädchen. Und so
willig … Ich könnte sie haben … – Aber auf mich wartet Höheres.
    Mit einer entschiedenen
Handbewegung zog er den Brief hervor, den er vom Waldboden bei der Bräutigamseiche
aufgehoben hatte. Caoba erkannte ihn sofort, und in Windeseile war das Lächeln aus
ihrem Gesicht verschwunden.
    »Eine schicksalhafte
Fügung wollte es, dass ich ungewollt Zeuge Ihres bedauerlichen Unglücks wurde. Der
Zufall spielte mir dieses Schreiben in die Hände, und als ich Sie so deprimiert
zu dem See gehen sah, dachte ich, Sie hätten sich von dem Gedanken an einen Freitod
treiben lassen. – Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich in Ihre persönlichen Dinge
einmische. Aber ich konnte doch nicht tatenlos zuschauen, wie ein so junges und
hübsches Ding wie Sie mit sich und der Welt Schluss machen wollte.«
    Wieder begann
in Caoba ein bitteres Gefühl der Verzweiflung, Wut und Enttäuschung hochzukommen.
Jetzt schämte sie sich auch noch vor ihrem Retter.
    Der tat so, als
studiere er den Brief. Dann riss er ihn mit einer heftigen Bewegung in zwei Teile.
Klug berechnend warf er die Fetzen jedoch nicht ins Wasser, sondern steckte sie
in die Hosentasche. Vielleicht kann mir der Brief noch wertvolle Dienste leisten,
dachte er.
    Laut beendete
er seinen kurzen intriganten Gedanken: »Liebeskummer, wenn ich mich nicht täusche.
– Ach, wissen Sie was, ich kenne das aus eigener Erfahrung. Ich hab das selber durchmachen
müssen.« Romanowsky hielt einen Augenblick inne, als wolle er abwarten, um seine
Erinnerungen Revue passieren zu lassen. Dann fuhr er in hartem Ton fort. »Auch ich
hatte vor langer Zeit mein Herz verloren. – Sie betrog mich mit einem anderen und
verletzte meine Seele so tief, dass ich ein anderer Mensch wurde.«
    Wieder machte
er eine Pause. Dann nahm er ihre Hand und drückte sie. »Und ich habe daraus gelernt.
Wenn Sie erlauben, – als Älterem steht mir das zu, – möchte ich Ihnen einen Rat
geben. Eine verwundete Seele ist wie eine Niederlage der gesamten Persönlichkeit.
Wenn man sich nicht aufgeben will, muss man dagegen kämpfen. Man muss sich wehren,
– stolz sein.«
    Er schien in
ihr eine empfindliche Saite angeschlagen zu haben. Durch ihren Körper ging ein deutlicher
Ruck, als würde sie sich zu einer fundamentalen Entscheidung durchgerungen haben.
Befriedigt registrierte Romanowsky die Wirkung seiner Worte. Dann legte er nach:
»Man muss die Würde seiner Seele wiedererobern. – Zeig es ihm!«
    Er bemerkte nicht,
dass er zum Du überging. »Zeige ihm, dass du eine eigenständige, selbstbewusste
Person bist! – Nur die naiven Landweiber flennen ihren Geliebten nach. Du bist doch
anders, du bist etwas Besonderes. Das erkenne ich schon an deinem Äußeren. – Du
bist aus anderem Holz geschnitzt als diese Heulsusen. – Und du hast die Kraft dazu,
dich zu wehren. Räche dich! – Tu es! – Und tu es so rasch wie möglich.«
    Er hob ihren
Kopf und legte ihn vertrauensvoll auf seinen Schoß. Minutenlang verharrten die beiden
so. Dann half er ihr, sich aufzurichten. Als sie stand, schien sie um einige Zentimeter
gewachsen zu sein. Langsam gingen sie den Waldweg hoch zu seinem Auto.
    »Komm, ich bringe
dich nach Hause.« Eine abwehrende Bewegung ihrerseits veranlasste ihn, vorsichtig
nachzugeben. »Nein, keine Angst, ich erzähle deinen Eltern nichts. Ich setze dich
einfach nur vor der Tür ab. Was du ihnen dann erklärst, ich meine wegen deiner nassen
Kleidung, bleibt dir überlassen.«
    Plötzlich blieb
er bedeutungsvoll stehen. »Und, – ich glaube, dass ich dir bei deiner Rache helfen
kann. Du kannst sicher sein, in mir einen Freund gefunden zu haben. – Ich habe so
meine Beziehungen.« Etwas pathetisch rief er: »Gemeinsam könnten wir die Welt verändern!«
Wie er das meinte, blieb verborgen. Caoba war zu sehr in den Widerstreit der Gefühle
in ihrem Inneren verwickelt, als dass sie den vorsichtig prüfenden Seitenblick ihres
Gegenübers bemerkte.
    Der Regen hatte
inzwischen zwar aufgehört, aber dennoch lag eine schwülfeuchte, diesige Stimmung
über den Buchenwäldern. Ihr violettes Leuchten war verschwunden.
     
    *
     
    Das Hauptmotiv der Suite, das Viertonmotiv mit dem anschließenden

Weitere Kostenlose Bücher