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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Person konzentriere, die ich finden will, und dabei eine Weile herumfahre oder -gehe, werde ich durch meine magnetischen Fähigkeiten fast immer zu ihr hingezogen. Deshalb werde ich draußen an Bruder John Heineman denken, wie er in seiner Klause sitzt.«
    »Wie interessant! Am interessantesten ist allerdings aus meiner Sicht das Wörtchen fast .«
    »Na ja, ich gebe gerne zu, dass auch ich nicht mietfrei im Paradies lebe.«
    »Und was bedeutet es, wenn Sie das zugeben, Mr. Thomas?«
    »Ganz einfach: Ich bin nicht vollkommen, Sir.«
    Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass meine Kapuze gut unter dem Kinn befestigt war, öffnete ich die untere Hälfte des
vertikalen Schiebefensters, und dann kletterten wir hinaus ins Brausen und Rauschen des Sturms. Sofort sah ich mich nach irgendwelchen wandelnden Knochen um, aber wenn ich tatsächlich welche gesehen hätte, wären wir wohl geliefert gewesen, denn die Sichtweite betrug nicht mehr als eine Armeslänge.
    Romanovich, der gleich nach mir herausgestiegen war, schob hinter uns das Fenster zu. Verschließen konnten wir es zwar nicht, aber unsere Kriegermönche konnten ohnehin nicht das gesamte Gebäude schützen. Wahrscheinlich zogen sie sich gerade bereits in den ersten Stock zurück, um diese überschaubarere Stellung zu halten.
    Ich sah zu, wie Romanovich sich das lose Ende der Schnur ums Handgelenk knüpfte. Nun war die Verbindung zwischen uns etwa eineinhalb Meter lang.
    Kaum mehr als sechs Schritte vom Internat entfernt verlor ich bereits die Orientierung. Ich hatte keine Ahnung mehr, in welcher Richtung die Abtei lag.
    Sofort stellte ich mir vor, wie Bruder John in einem der Sessel seiner geheimnisvollen Klause saß. Dann stapfte ich weiter, schärfte mir jedoch ein, darauf zu achten, ob der Strick immer gespannt war.
    Überall versank ich mindestens knietief im Schnee, und an manchen Stellen reichte er mir fast bis zur Hüfte. Sich durch einen Lawinenhang aufwärts zu kämpfen, konnte kaum anstrengender sein.
    Als Kind der Mojave-Wüste fand ich die bittere Kälte nur wenig angenehmer als Maschinengewehrfeuer. Am schlimmsten war jedoch das mit der mangelnden Sicht verbundene Heulen des Sturms. Mit jedem Schritt bekam mich eine merkwürdige Freiluftklaustrophobie fester in die Klauen.
    Unangenehm war auch, dass das betäubende Brausen Romanovich und mich daran hinderte, auch nur ein einziges Wort zu
sagen. In den Wochen, die er neben mir im Gästehaus verbracht hatte, war er mir wie ein schweigsamer alter Bär vorgekommen, doch im Verlauf des heutigen Tages hatte er sich als ziemlich gesprächig entpuppt. Nun, da wir Verbündete waren, genoss ich unsere Unterhaltungen noch genauso sehr wie vorher, als ich gemeint hatte, wir wären Feinde.
    Das war nicht selbstverständlich. Sobald sie sich genügend über Dinge wie Indianapolis und dessen viele Wunder ausgelassen haben, fällt den meisten Leuten nichts Interessantes mehr ein.
    Ich wusste, dass wir die Steintreppe zu Johns Klause erreicht hatten, als ich hinunterstolperte und fast gestürzt wäre. An der Tür hinter der untersten Stufe hatte sich eine Schneewehe gebildet.
    Die aus Bronze gegossenen Worte LIBERA NOS A MALO auf der Tafel über der Tür waren großteils von verkrustetem Schnee bedeckt, sodass statt der Erlösung vom Bösen nur noch Letzteres zu lesen war.
    Nachdem ich die eine halbe Tonne schwere Tür aufgeschlossen hatte, schwang sie glatt auf ihren kugelgelagerten Scharnieren auf. Zum Vorschein kam der in blaues Licht getauchte Korridor.
    Wir traten ein, die Tür schwang zu, und wir befreiten uns von dem Strick, der uns auf dem Weg zusammengehalten hatte.
    »Das war äußerst eindrucksvoll, Mr. Thomas!«, sagte Romanovich.
    »Mein Magnetismus ist nichts, was ich mir selbst beigebracht habe. Stolz darauf zu sein wäre genauso sinnlos wie, sagen wir, Stolz auf die Funktion meiner Nieren.«
    Wir klopften uns den Schnee vom Mantel. Romanovich nahm seine Bärenfellmütze ab, um sie auszuschütteln.
    Vor der Edelstahltür, auf der in polierten Lettern LUMEN DE
LUMINE stand, schlug ich die Stiefelkanten aneinander, um die Sohlen so gut wie möglich vom Schnee zu befreien.
    Romanovich streifte seine Gummistiefel mit Reißverschluss ab und stand in trockenen Schuhen da. Er war ein eindeutig rücksichtsvollerer Gast als ich.
    »Licht vom Licht«, übersetzte er den Spruch auf der Tür.
    »Wüst und leer, wüst und leer«, zitierte ich. »Finsternis auf der Tiefe. Dann schuf Gott das Licht. Das Licht der Welt

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