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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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unmissverständlich geleitet worden waren. Der Raum rund um uns lag im Schatten, die gebogenen Wände glänzten dunkel.
    Die Tischchen neben unseren Sesseln, wo normalerweise drei frische, warme Kekse auf einem roten Teller gelegen hätten, waren leer. Vielleicht war Bruder John zu beschäftigt gewesen, um Zeit zum Backen zu haben.
    Der Blick seiner von schweren Lidern beschatteten violetten Augen war so durchdringend wie immer, schien jedoch keinerlei Argwohn oder Feindseligkeit auszudrücken. Sein Lächeln war ebenso warm wie seine tiefe Stimme, als er sagte: »Heute war ich den ganzen Tag über unerklärlich müde und gelegentlich sogar ein wenig deprimiert.«
    »Das ist interessant«, warf Romanovich mir zu.
    »Ich freue mich, dass du gekommen bist, Odd Thomas«, sagte Bruder John. »Deine Besuche erfrischen mich.«
    »Na ja, Sir, manchmal habe ich den Eindruck, ich bin zu aufdringlich. «
    Bruder John nickte Romanovich zu. »Und Sie, unser Besuch aus Indianapolis – ich habe Sie erst ein oder zwei Mal von ferne gesehen und noch nie das Vergnügen gehabt, mit Ihnen zu sprechen.«
    »Dieses Vergnügen haben Sie jetzt, Dr. Heineman.«
    Abwehrend hob Bruder John eine seiner großen Hände.
»Dieser Mensch bin ich nicht mehr. Ich bin nur noch John oder Bruder John.«
    »Und ich bin nur Agent Romanovich von der National Security Agency«, sagte der Sohn einer Attentäterin und zückte seinen Ausweis.
    Statt sich vorzubeugen, um die laminierte Karte zu studieren, wandte Bruder John sich an mich. »Stimmt das, Odd Thomas?«
    »Nun, Sir, es kommt mir plausibler vor als die Behauptung, er sei Bibliothekar.«
    »Mr. Romanovich, die Meinung von Odd Thomas hat für mich mehr Gewicht als jeder Ausweis. Welchem Umstand verdanke ich die Ehre?«
    Romanovich steckte seinen Ausweis weg. »Sie haben eine gewaltige Anlage hier«, sagte er.
    »Eigentlich nicht. Was Sie als gewaltig empfinden, dürfte eher die Bedeutung der hier betriebenen Forschungen sein als die Größe der Anlage.«
    »Aber Sie brauchen doch bestimmt viele Spezialisten, um sie in Gang zu halten.«
    »Ganze sechs Brüder haben eine gründliche technische Ausbildung erhalten. Meine Systeme operieren fast vollständig ohne bewegliche mechanische Elemente.«
    »Gelegentlich kommt technische Unterstützung per Hubschrauber direkt aus Silicon Valley.«
    »Das stimmt, Mr. Romanovich. Ich bin erfreut, aber auch überrascht, dass die NSA sich für das Werk eines spirituellen Suchers interessiert.«
    »Auch ich bin ein Mann des Glaubens, Bruder John. Ich war fasziniert, als ich hörte, Sie hätten ein Computermodell entwickelt, das Ihnen Ihrer Meinung nach die tiefsten, grundlegendsten Strukturen der Realität gezeigt hat, weit unterhalb der Ebene von Quantenschaum.«

    Bruder John schwieg. »Ich nehme an, einige meiner Kontakte zu früheren Kollegen, die ich mir vor einigen Jahren erlaubt habe, sind Ihnen zu Ohren gekommen.«
    »Ganz recht, Bruder John.«
    Unser Gastgeber runzelte die Stirn, dann seufzte er. »Tja, ich sollte den Betreffenden keine Vorwürfe machen. In der äußerst konkurrenzbetonten Welt der Wissenschaft ist nicht zu erwarten, dass so etwas vertraulich bleibt.«
    »Glauben Sie denn tatsächlich, Sie hätten ein Computermodell entwickelt, das Ihnen die tiefste Struktur der Realität offenbart?«
    »Das glaube ich nicht, Mr. Romanovich, ich weiß , dass das, was das Modell mir zeigt, wahr ist.«
    »Welche Gewissheit!«
    »Um jede durch meine vorgefassten Ansichten hervorgerufene Verzerrung zu vermeiden, habe ich das Modell nicht selbst geschaffen. Wir haben sämtliche Bestandteile der Quantenmechanik und die sie stützenden Beweise in die Computeranlage eingespeist, damit diese das Modell ohne jeden menschlichen Einfluss entwickeln konnte.«
    »Computer sind vom Menschen geschaffen«, sagte Romanovich, »und deshalb ist der menschliche Einfluss sozusagen eingebaut. «
    Bruder John wandte sich an mich. »Die Melancholie, mit der ich heute gerungen habe, ist keine Entschuldigung für meine schlechten Manieren. Möchtest du ein paar Kekse?«
    Dass er nur mir Kekse anbot, kam mir bedeutsam vor. »Vielen Dank, Sir, aber ich muss noch Platz für zwei Stück Kuchen nach dem Abendessen lassen.«
    »Zurück zu Ihrer Gewissheit«, schaltete Romanovich sich wieder ein. »Wie können Sie eigentlich wissen , dass das, was das Modell Ihnen zeigt, wahr ist?«

    Ein glückseliger Ausdruck trat auf Bruder Johns Gesicht. Als er antwortete, lag in seiner Stimme ein Zittern,

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