Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
das nach Ehrfurcht klang. »Ich habe das Ergebnis des Modells angewandt … und es funktioniert.«
    »Und worin besteht dieses Ergebnis des Modells, Bruder John?«
    Als unser Gastgeber sich auf seinem Sessel vorbeugte, schien das Schweigen im Raum durch die Kraft seiner Persönlichkeit noch zuzunehmen. »Unterhalb der letzten Stufe des scheinbaren Chaos«, sagte er leise, »findet man wieder eine merkwürdige Ordnung, und diese letzte Stufe der Ordnung sind Gedanken .«
    »Gedanken?«
    »Jegliche Materie, an ihrem Ursprung betrachtet, entsteht aus einem Grundmuster, das alle Eigenschaften von Gedankenwellen aufweist.«
    Bruder John klatschte einmal in die Hände, woraufhin sich die bisher dunkel glänzenden Wände aufhellten. Rund um uns erschienen sich ständig verändernde Muster aus komplex miteinander verknüpften Linien in vielen Farben. Wie vielschichtige thermische Strömungen in einem unendlich tiefen Ozean sahen sie aus. Trotz ihrer Komplexität waren die Linien deutlich geordnet, sodass sich ein planvolles Muster ergab.
    Die Darstellung besaß so viel Schönheit und Geheimnis, dass ich gleichermaßen davon gebannt war und den Blick abwenden wollte. Verwunderung und Angst machten sich in mir breit, Ehrfurcht, aber auch ein Gefühl der Unzulänglichkeit, das in mir den Wunsch entstehen ließ, das Gesicht zu verhüllen und alle niederen Impulse in mir zu gestehen.
    »Was ihr hier vor euch seht«, sagte Bruder John, »sind nicht die Gedankenmuster Gottes, die aller Materie zugrunde liegen, denn die können wir natürlich nicht tatsächlich sehen. Es ist eine Computerdarstellung davon, die auf dem erwähnten Modell basiert.«

    Er klatschte zwei Mal in die Hände. Die erstaunlichen Muster verblassten, und die Wände wurden wieder dunkel, als hätte er an einem unsichtbaren Dimmer gedreht.
    »Diese Demonstration hat eine unglaubliche Wirkung auf alle, die sie sehen«, sagte Bruder John. »Sie löst etwas auf einer so tiefen Ebene in uns aus, dass es zu extremer emotionaler Erschöpfung führen kann, sie länger als eine Minute zu betrachten.«
    Rodion Romanovich sah genauso erschüttert aus, wie wahrscheinlich auch ich das tat.
    »Dann«, sagte er, nachdem er seine Fassung wiedererlangt hatte, »besteht das Ergebnis des Modells darin, dass das Universum mit all seiner Materie und seinen Energieformen aus dem Denken entsteht.«
    »Gott stellt sich die Welt vor, und die Welt bildet sich.«
    »Nun ja«, sagte Romanovich, »wir wissen zwar, dass Materie in Energie umgewandelt werden kann. Die Verbrennung von Öl erzeugt Wärme und Licht …«
    »… so wie das Spalten eines Atomkerns die Kerne leichterer Atome erzeugt«, unterbrach ihn Bruder John, »wodurch zudem noch mehr Energie freigesetzt wird.«
    Damit gab sich Romanovich noch immer nicht zufrieden. »Wollen Sie damit sagen, dass es sich bei Gedanken – zumindest bei denen göttlichen Ursprungs – um eine Form von Energie handelt, die sich selbst in Materie umwandeln kann wie bei einer Umkehrung der Kernspaltung?«
    »Nicht wie bei einer Umkehrung, nein. Es geht hier auch nicht nur um Kernfusion. Die üblichen wissenschaftlichen Begriffe sind nicht anwendbar. Es handelt sich darum … durch die Kraft des Willens eine Vorstellung zu erschaffen, die Materie hervorbringt. Und weil uns das Denken, der Wille und die Vorstellungskraft gegeben sind, wenn auch in menschlichem Maßstab, besitzen wir diese Kraft, etwas zu erschaffen.«

    Romanovich und ich sahen uns an. »Sir, haben Sie schon mal den Film Alarm im Weltall gesehen?«
    »Nein, Mr. Thomas, leider nicht.«
    »Wenn das hier vorbei ist, sollten wir uns den mal zusammen anschauen.«
    »Ich mache Popcorn.«
    »Mit Salz und einer Prise Chilipulver?«
    »Aber gern.«
    Das brachte Bruder John auf eine Idee. »Bist du sicher, dass du keine Kekse willst, Odd Thomas? Du magst meine Kekse doch, das weiß ich.«
    Es hätte mich nicht gewundert, wenn er eine magische Geste in Richtung des Tischchens neben meinem Sessel gemacht hätte, um aus der leeren Luft Schokogebäck zu beschwören.
    »Bruder John«, sagte Romanovich, »Sie haben vorher behauptet, Sie hätten das Ergebnis Ihres Computermodells in der Praxis angewandt. Wenn ich richtig verstanden habe, vertreten Sie die These, dass jegliche Materie, die wir kennen, aus Gedanken heraus entstanden ist. Dass das Universum und die Erde mit ihren Bäumen, Blumen und Tieren ausschließlich durch die Vorstellung zur Existenz gebracht wurde.«
    »Ja. Deshalb haben meine

Weitere Kostenlose Bücher