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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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konnten wir uns in den Blizzard hinauswagen und
durch tiefe Schneewehen zur Abtei stapfen, immer in Gefahr, einem monströsen Skelett zu begegnen, und zwar ohne den Schutz eines Geländewagens. Für abenteuerlustige Zeitgenossen hatte diese Route allerhand zu bieten: äußerst ungemütliches Wetter, panische Angst, eiskalte Luft, die einem den Kopf freigemacht hätte, wäre einem nicht der Schleim in den Nebenhöhlen gefroren – und die Gelegenheit, Schnee-Engel zu machen.
    Zum anderen boten die Kellerflure einen wettergeschützten Weg, in dem kein Wind pfiff und das Nahen der wandelnden Knochenhaufen kaschierte. Falls diese sich allesamt nach oben begeben hatten, um in Erwartung der Dämmerung um das Internat herumzuschleichen, dann hatten wir sogar freie Bahn zum Keller der Abtei.
    Ich nahm den Schraubenschlüssel vom Haken neben der verschlossenen Öffnung, und dann knieten wir uns vor die Stahlplatte und lauschten.
    Nach einer halben Minute fragte ich: »Hören Sie etwas?«
    Nachdem eine weitere halbe Minute vergangen war, antwortete Romanovich: »Nein.«
    Als ich den Schlüssel am ersten der vier Bolzen ansetzte und zu drehen begann, glaubte ich, von der anderen Seite der Platte her ein leises, schabendes Geräusch zu hören.
    Ich hielt inne und lauschte. »Haben Sie jetzt etwas gehört?«, fragte ich.
    »Nein, Mr. Thomas«, lautete die Antwort.
    Wieder verging eine halbe Minute, dann klopfte ich mit einem Fingerknöchel an die Platte.
    Auf der anderen Seite brach ein hektisches Klappern und Rasseln los, voll Zorn und kalter Gier. Das gespenstische Heulen, von dem es begleitet wurde, schien von drei oder vier Stimmen zu stammen.
    Ich schraubte den Bolzen, den ich ein Stück weit gelockert
hatte, wieder fest und hängte den Schraubenschlüssel an seinen Haken.
    Während wir mit dem Aufzug ins Erdgeschoss fuhren, sagte Romanovich: »Schade, dass meine Frau nicht hier ist.«
    »Aus irgendeinem Grund, Sir, hätte ich nicht gedacht, dass Sie verheiratet sind.«
    »Doch, doch, Mr. Thomas, das bin schon seit zwanzig wunderschönen Jahren. Wir haben viele gemeinsame Interessen. Wenn meine Frau hier wäre, würde sie es sehr genießen.«

49
    Falls irgendwelche Eingänge des Internats von Skelettposten bewacht wurden, dann richtete sich deren Aufmerksamkeit wahrscheinlich auf den Haupteingang, das Garagentor und die Hintertür der Küche.
    Aus diesem Grund beschlossen Romanovich und ich, das Gebäude durch ein Fenster in Schwester Angelas Büro zu verlassen. Dieses war am weitesten von den drei Eingängen entfernt, die der Feind am ehesten im Blick hatte. Obwohl die Mutter Oberin nicht anwesend war, brannte ihre Schreibtischlampe.
    Ich zeigte auf die Poster von George Washington, Flannery O’Connor und Harper Lee. »Schwester Angela gibt ihren Besuchern gern ein Rätsel auf«, sagte ich. »Was meinen Sie, welche gemeinsame Eigenschaft sie an diesen drei Personen wohl am meisten bewundert?«
    Natürlich musste er sich nicht erkundigen, um wen es sich bei den beiden Frauen handelte. »Innere Stärke«, sagte er. »Washington besaß die ganz offensichtlich. Flannery O’Connor litt an Lupus, ließ sich davon aber nicht von ihrem Weg abbringen. Und Harper Lee brauchte Stärke, um zu jener Zeit an jenem Ort zu leben, ein solches Buch zu veröffentlichen und mit den Fanatikern fertig zu werden, die tobten, weil sie von ihr so realistisch dargestellt worden waren.«
    »Da zwei von denen Schriftstellerinnen waren, hatten Sie als Bibliothekar natürlich einen Vorteil mir gegenüber«, sagte
ich, während ich die Lampe ausknipste und den Vorhang aufzog.
    »Da draußen sieht man immer noch kaum die Hand vor den Augen«, erwiderte Romanovich. »Sobald wir zehn Schritte vom Haus entfernt sind, haben wir keine Ahnung mehr, wo wir uns befinden.«
    »Dagegen hilft mein übersinnlicher Magnetismus.«
    »Wie bitte?«
    Mit einem leichten Schuldgefühl zog ich Schwester Angelas Schreibtischschubladen auf, bis ich eine Schere gefunden hatte. Damit schnitt ich knapp zwei Meter von der Vorhangschnur ab und wickelte mir das eine Ende um die rechte Hand, die schon in einem Handschuh steckte.
    »Sobald wir draußen sind, gebe ich Ihnen das andere Ende, Sir. Dann können wir selbst dann nicht getrennt werden, wenn wir schneeblind werden sollten.«
    »Das verstehe ich nicht, Mr. Thomas. Wollen Sie damit sagen, die Schnur wird uns wie eine Wünschelrute zur Abtei führen?«
    »Nein, Sir. Die Schnur hält uns nur zusammen. Wenn ich mich auf eine

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