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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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scheinbar aus dem Nichts heraus ein paar winzige weiße Würfel wie Zucker, der an einer in einem Glas stark gesüßtem Wasser hängenden Schnur kristallisiert. Die Zahl dieser Würfel nahm rasch zu, während sie zugleich anfingen, miteinander zu verschmelzen. Es war, als würde ich ein rückwärts laufendes Video des Vorgangs sehen, den ich und die Mönche auf dem Boden der Garage beobachtet hatten.
    Romanovich und ich sprangen auf. Zweifellos hatten wir denselben Gedanken: Was ist, wenn es sich bei »Floppy« um den Kosenamen handelt, den Bruder John den wandelnden Knochengebilden gegeben hat?
    Wir hätten nicht erschrecken müssen. Was sich vor uns bildete,
war eine Kreatur von der Größe eines Hamsters. Ganz weiß war sie und ein Zwischending zwischen einem Hündchen, einem Kätzchen und einem Häschen. Sie öffnete riesige Augen, die genauso blau – aber weniger raubtierhaft – waren wie die von Tom Cruise, strahlte mich an und gab ein angenehm melodisches, gurrendes Geräusch von sich.
    Bruder John machte ebenfalls die Augen auf, lächelte seine Schöpfung an und sagte: »Meine Herren, begrüßen Sie Ihr erstes Floppy!«
     
    Da ich nicht gleichzeitig an zwei Orten sein kann, stammt der Bericht über das, was sich im Internat abspielte, nicht von mir, sondern von den Brüdern, die dabei waren. Zur besseren Unterscheidung habe ich ihn ins Präsens gesetzt:
    Während Jacob in Zimmer 14 mit seiner Stickerei beschäftigt ist, stellt Bruder Knoche einen Stuhl in die offene Tür. Dort lässt er sich nieder, legt sich seinen Baseballschläger über die Knie und beobachtet, was im Flur geschieht.
    Bruder Maxwell, dessen journalistische Karriere schon fünfzehn Jahre zurückliegt, hofft wahrscheinlich, dass er nicht so viel räumlichen und zeitlichen Abstand hinter sich gebracht hat, um im Kloster auf dieselbe hirnlose Gewalt zu stoßen, die er auch in Los Angeles hätte haben können, ohne ein Armutsgelübde abzulegen.
    Er sitzt auf einem Stuhl in der Nähe des einzigen Fensters. Weil der wirbelnde Schnee hypnotisierend auf ihn wirkt, hat er den Blick gesenkt, statt den schwindenden Tag hinter dem Glas zu beobachten.
    Ein Geräusch, das harscher ist als der Wind, ein leises Klirren und Quietschen, lenkt seine Aufmerksamkeit aufs Fenster. Von außen drückt sich ein in ständiger Bewegung befindliches Kaleidoskop aus Knochen an die Scheiben.

    Während Maxwell sich langsam erhebt, als hätte er Angst, eine ruckhafte Bewegung könnte den unerwünschten Besucher in Rage bringen, flüstert er: »Bruder Salvatore!«
    Der Angesprochene, der mit dem Rücken zum Zimmer in der offenen Tür sitzt, denkt gerade an das neueste Buch seiner Lieblingsautorin, das zwar weder von einem Porzellanhasen noch von einem Mäuserich handelt, aber trotzdem toll ist. Er hört das Flüstern nicht.
    Bruder Maxwell ist schon ein Stück weit vom Fenster zurückgewichen, als er merkt, er hat seine beiden Baseballschläger neben dem Stuhl liegen lassen. Wieder ruft er flüsternd nach Knoche, leider nicht lauter als vorher.
    Das Knochenmuster am Fenster verändert sich unablässig, aber überhaupt nicht erregt, sondern fast träge. Das vermittelt den Eindruck, die Kreatur könnte sich in einem schlafähnlichen Zustand befinden.
    Die verträumte Art der kaleidoskopischen Bewegung ermutigt Bruder Maxwell, zu seinem Stuhl zurückzugehen, um sich einen der Baseballschläger zu holen.
    Als er sich bückt und nach der Waffe greift, hört er über sich eine Fensterscheibe knacksen. Erschrocken richtet er sich auf und brüllt: »Salvatore!«
     
    Obwohl sich das Floppy aus Würfeln gebildet hatte, war es genauso flauschig, knuddelig und floppig wie sein Name. Riesige Schlappohren hingen ihm übers Gesicht. Mit einer Pfote strich es sie zurück, bevor es sich auf die Hinterbeine erhob. So etwas hätte der Michelin-Mann als Haustier halten können.
    Das Gesicht von Bruder John war der Inbegriff des Entzückens. »Mein ganzes Leben lang war ich von Ordnung besessen«, sagte er. »Ich wollte Ordnung im Chaos finden oder dem Chaos Ordnung aufzwingen. Und da ist nun dieses süße, kleine
Ding, geboren aus dem Chaos der Gedanken, aus der Leere, dem Nichts heraus.«
    Romanovich stand noch immer genauso wachsam da wie vorher, als er erwartet hatte, vor ihm werde sich eines der Knochenmonster bilden. »Dem Abt haben Sie das aber doch bestimmt nicht gezeigt«, sagte er.
    »Noch nicht«, erwiderte Bruder John. »Ihr beide seid sogar die Ersten, die das sehen …

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