Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
ausgeklügelten Gelenken ausgedacht hat.«
    Während er die Architektur des wandelnden Knochenhaufens studierte, erkannte er offenkundig widerstrebend, dass das Legomodell und diese gespenstische Konstruktion auf dieselbe Besessenheit zurückzuführen waren.
    »Sir, noch ist es Zeit. Zeit für diesen kleinen Jungen, seinen Zorn aufzugeben und seinen Schmerz lindern zu lassen.«
    Mit einem Mal löste sich die Oberflächenspannung seiner aufgestauten Tränen. An jeder Wange rann eine herab.
    Er sah zu mir hoch und sagte mit einer Stimme, in der Traurigkeit, aber auch Bitterkeit lagen: »Nein. Es ist zu spät.«

53
    Womöglich war Gevatter Tod bereits im Raum gewesen, als auf den gebogenen Wänden die farbigen Muster des angeblich göttlichen Denkens aufgeleuchtet hatten. Wenn dem so war, dann hatte er sich jedes Mal, wenn wir den Kopf drehten, so bewegt, dass er immer außer Sicht geblieben war. Nun jedoch kam er auf mich zu, als wäre er soeben erst voll kalter Wut hereingestürmt. Er packte mich, hob mich in die Höhe und zog mich zu sich heran, sodass ich ihm direkt ins Gesicht sah.
    Da, wo unter der Kapuze vorher Leere geherrscht hatte, befand sich nun eine brutale Version von Bruder Johns Gesicht, kantig, wo dieses rund war, und hart, wo es weich war. So mochte ein Kind sich weniger das Gesicht des Todes vorstellen als das der Macht. Als das junge Genie das Chaos der Welt erkannt und gefürchtet hatte, war es machtlos gewesen, Ordnung hineinzubringen, und dafür hatte es sich nun selbst mit blinder Macht ausgestattet.
    Der Atem des Todes war der einer Maschine, die nach rauchendem Kupfer und glühendem Stahl stank.
    Er warf mich über den Sessel hinweg wie ein verknotetes Bündel Lumpen. Ich prallte an die kühle, gebogene Wand und stemmte mich vom Boden ab, noch während ich landete.
    Ein Sessel flog auf mich zu, ich duckte mich und sprang zur Seite, die Wand tönte wie eine Glasglocke, nicht so, wie ich sie
zum Tönen gebracht hatte. Der Sessel blieb da liegen, wo er hingefallen war, doch ich bewegte mich weiter. Und da kam wieder der Tod an.
     
    Die Bronzestäbe des Fensters ächzen und biegen sich leicht nach innen, geben jedoch nicht nach. Allmählich wird das Heulen des frustrierten Angreifers lauter als das Klappern seiner geschäftigen Knochen.
    »Dieses Ding«, stellt Bruder Maxwell fest, »hat keine Angst vor uns.«
    »Abwarten!«, beruhigt ihn Knoche.
    Aus der kaleidoskopischen Bestie schiebt sich ein gierig tastender Knochententakel durch eines der scheibenlosen Rechtecke im Fenster. Volle eineinhalb Meter weit dringt er ins Zimmer vor.
    Verblüfft taumeln die Brüder zurück.
    Der Tentakel löst sich vom Hauptkörper, wird möglicherweise von diesem abgestoßen; jedenfalls fällt er auf den Boden. Sofort zieht er sich zusammen und formt sich zu einem Ebenbild der größeren Kreatur am Fenster.
    Spitz, kantig, stachlig und so groß wie ein Industriestaubsauger kommt das Ding kakerlakenflink an, und Knoche schwingt seinen Baseballschläger.
    Der Aufprall des Schlägers bringt den Angreifer vorerst zur Räson. Knochenbrocken splittern ab. Knoche tritt auf das Ding zu, während es rückwärts wackelt, und demoliert es bereits mit dem zweiten Schlag.
    Durchs Fenster schiebt sich ein weiterer Tentakel. Noch während dieser zu Boden fällt, ruft Maxwell Bruder Fletcher zu: »Schaff Jacob hier raus!«
    Bruder Fletcher, der in seinen Tagen als junger, unerfahrener Saxofonist ein paar gefährliche Auftritte überstanden hat, weiß
nur zu gut, dass man die Beine in die Hand nimmt, wenn die Gäste eine Prügelei anzetteln. Deshalb ist er bereits dabei, Jacob aus dem Raum zu ziehen, als Maxwell ihn dazu auffordert. Auf dem Flur angelangt, hört er Bruder Gregory rufen, etwas befinde sich im Aufzugschacht und versuche wütend, durchs Dach der festsitzenden Kabine zu gelangen.
     
    Als der Tod erneut auf mich zukam, sprang Rodion Romanovich mit der ganzen Furchtlosigkeit eines geborenen Leichenbestatters auf ihn zu und eröffnete mit seiner Desert Eagle das Feuer.
    Seine Ankündigung, es werde einen Höllenlärm geben, bewahrheitete sich. Der Knall der Pistole klang nur um wenige Dezibel leiser als das Donnern von Mörserfeuer.
    Ich zählte nicht, wie viele Schüsse Romanovich abgab, bevor Gevatter Tod in geometrische Einzelteile zersprang, wie er es schon bei seinem Sprung vom Glockenturm getan hatte. Das ihn umhüllende Gewand war genauso hart und spröde wie er selbst.
    Sogleich begannen die Scherben, Fetzen

Weitere Kostenlose Bücher