Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
Vom Netzwerk:
überlasse sie Ihnen«, sagte der Deputy, hob die Hände und wandte sich zum Gehen. »Viel Glück.«
    Vince deutete mit dem Kopf in Richtung des Aufenthaltsraums auf der anderen Seite des Flurs. »Ich seh mir die Vorstellung von dort aus an.«
    Mendez atmete einmal tief durch, dann öffnete er die Tür zu Vernehmungszimmer zwei und trat ein. Lauern tigerte an der hinteren Wand des kleinen weiß gestrichenen Raums auf und ab und hatte dabei die Arme so fest um den Oberkörper geschlungen, als befürchte sie auseinanderzufallen. Sie wirkte klein und zerbrechlich, und offenbar hatte ihr jemand ein paar Schläge verpasst. An der Wange hatte sie eine leuchtend rote Schürfwunde, und die Knöchel der einen Hand waren zerkratzt und blutig. Ihre Leinenhose war an einem Knie zerrissen.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte er.
    »Nein. Nein, es ist nicht alles in Ordnung mit mir, verdammt noch mal!«, stieß sie hervor, und ihr Blick war der eines in einem Käfig eingesperrten verwundeten wilden Tieres. »Und sagen Sie jetzt bloß nicht, ich soll mich setzen, weil ich mich nämlich nicht setzen will! Und dass ich mich beruhigen soll, das können Sie sich auch sparen, weil ich mich nicht beruhigen will. Es ist überhaupt nichts in Ordnung!«
    »Schon gut«, sagte Mendez ruhig. Er lehnte sich gegen die Kante des kleinen Tischs, der an einer der Längswände stand. »Sie sehen aus, als hätte jemand Sie geschlagen. Soll ich Sie in Krankenhaus fahren?«
    »Nein.«
    »Wie ist das passiert?«
    »Ich bin gestürzt.«
    »Als Sie Roland Ballencoa angegriffen haben?«
    Sie sah ihn argwöhnisch an. »Brauche ich einen Anwalt?«
    »Ich habe Ihnen Ihre Rechte noch nicht verlesen«, sagte er. »Bislang wurde keine Anschuldigung gegen Sie erhoben. Das hier ist kein offizielles Verhör. Es wird nicht aufgezeichnet. Im Fall des Falles wird ein guter Anwalt später vorbringen, dass nichts von dem, was Sie mir jetzt erzählen, gegen Sie verwendet werden darf. Außerdem bin ich zurzeit suspendiert, ich sollte eigentlich überhaupt nicht hier sein. Man könnte also sagen, dass dieses Gespräch gar nicht stattfindet.«
    Sie lachte, aber es klang nicht gerade fröhlich. »Ich wollte, es wäre so.«
    Die Verzweiflung in ihrer Stimme schnitt ihm ins Herz. Er wusste, dass niemand – zumindest glaubte sie das – auf ihrer Seite war. Sie stand so dicht vor ihm, dass er sie ohne Weiteres hätte berühren können, aber er behielt seine Hände bei sich. Dieser Feigling von einem Ehemann hätte jetzt hier sein sollen, um sie in die Arme zu nehmen und festzuhalten. Sie brauchte jemanden, der sie von der Last, die auf ihren Schultern lag, befreite, bevor sie unter dem Gewicht zusammenbrach.
    »Wollen Sie mir erzählen, was passiert ist?«, fragte er leise.
    Sie war den Tränen nahe. Er hörte es an ihrem abgehackten Atmen. Sie schlang die Arme noch fester um sich.
    »Er hat Fotos von Leah gemacht«, sagte sie. Sie hielt kurz inne, um gegen die Gefühle anzukämpfen, die erneut in ihr hochkamen. »Sie hatte zusammen mit ihrer Freundin Tennisunterricht … er hat sie beobachtet … er hat Fotos von den beiden gemacht. Als ich ihn entdeckte, hat er mir direkt ins Gesicht gesehen und einfach weiterfotografiert.«
    Ihre Worte weckten in Mendez den Wunsch, nach nebenan zu gehen und sich Roland Ballencoa selbst vorzunehmen.
    »Warum haben Sie sich nicht an jemanden vom Sicherheitsdienst gewandt?«
    Er fragte das, weil er es fragen musste, obwohl es total albern klang. Hätte er sich an jemanden vom Sicherheitsdienst gewandt, wenn er Vater wäre und Roland Ballencoa Fotos von seinem Kind gemacht hätte? Was, wenn er statt Leah Lawton die kleine Haley Leone oder eine seiner Nichten fotografiert hätte? Er hätte Ballencoa die Kamera weggenommen und sie ihm über den Schädel gezogen.
    »Und was hätte ich sagen sollen?«, fragte sie. »Verstößt es gegen das Gesetz, an einem öffentlichen Ort Fotos zu machen? Hätte ihn jemand davon abgehalten?«
    »Sie sind auf ihn losgegangen«, sagte er.
    »Er hat meine Tochter entführt«, erwiderte sie. »Meine erste Tochter hat er entführt. Von meiner zweiten Tochter hat er Fotos gemacht – als könnte er jederzeit die Hand ausstrecken und sie anfassen, wenn ihm danach ist. Und zwar direkt vor meinen Augen. Was hätten Sie an meiner Stelle getan?«
    »Ich urteile nicht über Sie, Lauren«, sagte er ruhig. »Aber ich muss wissen, was los war. Er sitzt in diesem Moment mit einem anderen Detective im Zimmer nebenan und

Weitere Kostenlose Bücher