Schattennetz
hämmerte es Häberle in den Gedanken. Aber vorige Nacht wäre doch Korfus selbst beinahe mit so einer Waffe umgebracht worden? Häberle hatte gar nicht bemerkt, wie er durch die Fußgängerzone gegangen war. Jedenfalls stand er jetzt vor der schweren Tür des Polizeireviers, zog sie nach außen auf und betrat den Vorraum. Durch die schusssichere Scheibe winkte er dem Beamten zu, der telefonierend am Funktisch saß und dem Kommissar mit einer Handbewegung andeutete, dass er die Tür ins Treppenhaus öffnen würde. Augenblicke später summte der elektrische Öffner und Häberle konnte ins Obergeschoss zu den Kollegen der Sonderkommission hochsteigen. Nachdem er sein soeben im Dekanat geführtes Gespräch geschildert hatte, herrschte auch hier betretenes Schweigen.
»Wir sollten alle bisherigen Erkenntnisse unter diesem Aspekt betrachten«, sagte er und lehnte sich in den Türrahmen. »Und ich werde das morgen auch tun.« Einige Kollegen sahen ihn fragend an. Nicht alle wussten von seinem Plan, am nächsten Tag in aller Frühe nach Bischofswerda zu fahren.
Linkohr war der Erste, der die Stille des Staunens und Entsetzens brach. »Auch wir haben etwas Neues«, sagte er, wohl wissend, dass er den Chef jetzt nicht übertrumpfen konnte.
»Zwei Dinge – zuerst unser Vodafone-Techniker. Er kann sich tatsächlich an einen Anruf von Simbach entsinnen. Der habe ihn gefragt, wann der nächste Service-Termin im Kirchturm sei.«
»Ach?«, staunte Häberle.
»Ja, Spiegler hat ihm den voraussichtlichen Termin genannt und wollte von Simbach wissen, weshalb ihn das interessiere.«
»Und?«
»Simbach soll gesagt haben, er würde sich die Technik mal gerne erklären lassen, weil doch immer mehr kritische Stimmen wegen der Strahlung laut würden.«
»Und … haben die sich dann beim Termin getroffen?«
»Nein«, erwiderte Linkohr, um nach kurzer Pause fortzufahren: »Dazu jetzt noch ein weiterer Gesichtspunkt. Herr Gunzenhauser war hier. Der Mann der Mesnerin«, erklärte er. »Und er hat etwas mitgebracht.« Linkohr ging ein paar Schritte zu einem Schreibtisch und hob eine Klarsichthülle hoch, in der sich der ausgedruckte Quittungsbeleg befand. »Lag zwischen zwei Schränken in der ersten Turmetage. Er hats gefunden, als er heut Mittag putzen wollte.«
Für die übrigen Kollegen im Raum wars keine Neuigkeit mehr. Sie hatten bereits ausgiebig darüber diskutiert und sogar erste Ergebnisse erzielt. »Ein Kassenbeleg des Albwerks«, erklärte Linkohr, während der Chef aufmerksam zuhörte und sich die Klarsichthülle geben ließ. Ein Beleg des örtlichen Energieversorgungsunternehmens vom 6. Juli. Häberle las vor: »NYM, 20 Meter à 75 Cent. 15 Euro, inklusive Mehrwertsteuer.« Er besah sich den Beleg. »NYM, 20 Meter«, wiederholte er. »Ist das ein Kabel?«, fragte er so, als ob es daran keinen Zweifel gäbe.
»Bingo«, antwortete einer der Kollegen anerkennend. »Sie kennen sich aus.«
Häberle grinste. »Schließlich sitz ich nicht nur am Schreibtisch, sondern hab Haus und Hof, wo es immer was zu basteln gibt. Und hier«, er gab Linkohr die Klarsichthülle wieder zurück. »Hier hat einer 20 Meter Stromkabel gekauft, vermutlich dreiadrig, wenn ich den Preis richtig deute.«
»Einer?«, gab Linkohr zurück. »Nicht irgendeiner, Chef. Wir haben im Albwerk bereits den Verkäufer gefunden, der sich noch an den Kunden erinnert hat. Nachdem er die Uhrzeit auf dem Beleg gesehen hat – 16.04 Uhr, kurz nach Feierabend in der Werkstatt -, da ist ihm sofort eingefallen, wer ihn da noch hingehalten hat.«
Häberle wurde ungeduldig und brachte dies mit einer Kopfbewegung zum Ausdruck, worauf Linkohr nicht mehr länger drumrum reden wollte: »Den Beschreibungen nach muss es Alexander Simbach gewesen sein.«
Häberle überlegte. »Simbach war Elektriker. Gelernter zumindest. Da erscheint es zunächst nicht ungewöhnlich, wenn er Stromkabel kauft.«
»Absolut richtig«, erwiderte Linkohr, der die Klarsichthülle auf den Schreibtisch zurücklegte. »Wir haben aber bereits gecheckt, dass bei den Manipulationen im Kirchturm ein solches Kabel benutzt wurde. Und einen Tag nach dem Kauf des Kabels hats diese Stromschwankung gegeben, die sich im übrigen Netz des Albwerks nicht bemerkbar gemacht hat, wie wir inzwischen wissen.«
Häberle sah schmunzelnd in die Runde. »Dann hätten wir ja den Täter überführt – mit nur einem kleinen Schönheitsfehler: Unser vermeintlicher Täter ist selbst zum Opfer geworden.«
Häberle war
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