Schattenpakt - Roland, L: Schattenpakt - Viper Moon (01 The Novel of the Earth Witches)
wieder mich. Sie nahm die Scheine und ging.
Joe sah mich mit gerunzelter Stirn an. »Hast du Hector etwa wieder verletzt? Das letzte Mal habe ich eine ganze Woche für das Krankenhaus bezahlen müssen.«
»Der kommt schon wieder in Ordnung.« Vielleicht. Wenn er keinen gebrochenen Kiefer hatte.
Ich legte Selenes und Richards Fotos auf den Tisch. Joe sah sie sich an und schüttelte den Kopf. Seine Mundwinkel verzogen sich nach unten. »Das Mädchen ist hübsch.«
Flynn legte eine Hand auf meine Schulter, als brauchte er mich als Stütze.
»Kennst du Hammer?« Ich musterte Joe durchdringend. Er hatte einen leichten Tick am Auge, das immer zuckte, wenn er log.
Joe zuckte die Achseln. »Hab ihn mal kennengelernt. Hab gehört, dass er Laufbursche ist. Macht Besorgungen … aber keine Mädchen … oder Jungen.«
Er sagte die Wahrheit.
»Ruf mich an, wenn du ihn siehst … oder diese Kinder. Du hast ja meine Handynummer.«
»Was ist mit dem Cop?« Er beäugte Flynn.
»Er ist mein Leibwächter.«
Joe lachte … ein gut gelauntes Dröhnen, das durch den leeren Barraum schallte. »Du brauchst einen Leibwächter genauso dringend wie Hector mehr Muskeln zwischen den Ohren.«
Ich bat Joe, uns vorn herauszulassen, weil ich nicht wieder in Hector hineinlaufen wollte, sofern dieser überhaupt schon wieder zu sich gekommen war. Die Sonne ging allmählich unter, doch auf dem Bürgersteig herrschte immer noch brütende Hitze. Ein schwerer Laster rumpelte in Richtung Hafen vorbei und zog eine Wolke aus stinkendem Qualm hinter sich her, der in den Augen brannte.
»Wer ist Hammer?«, wollte Flynn wissen.
»Hauptsächlich ein Laufbursche, ein kleiner Einbrecher und Taschendieb. Er scheint sich aber in letzter Zeit zu Höherem berufen zu fühlen, wenn er jetzt Kinder verschiebt statt Drogen. Er läuft mir gelegentlich über den Weg, aber solange er nichts mit Kindern zu tun hat, lasse ich ihn links liegen.«
»Und der Junge? Der auf dem anderen Foto?«
Ich hatte Flynn nichts von Richard erzählt, vor allem, weil ich meinen Kontakt zu Dacardi für mich behalten wollte. »Er heißt Richard. Ich habe herausgefunden, dass er und Selene vor ein paar Tagen mit Hammer zusammen gesehen worden sind.«
Seine Augen wurden ganz groß, und er packte mich am Arm. »Hammer. Vorname? Nachname? Ich kann die Angaben weitergeben und herausfinden …«
»Sie werden absolut nichts herausfinden. Die Polizei könnte Namen, Adresse, DNA-Probe und Foto von ihm haben … aber nichts davon würde uns in den Barrows etwas bringen.«
»Erzählen Sie mir doch nicht so einen Mist. Wenn Sie mir etwas verheimlichen …« Er drückte meinen Arm fester.
»Lassen Sie mich los. Sofort!«
Er nahm seine Hand von meinem Arm und holte Luft, um mich wahrscheinlich im nächsten Atemzug wieder zu bedrohen. Doch ein leiser Schrei ließ ihn innehalten. Er kam aus der stinkenden Gasse.
Ich trat ans Ende des Gebäudes und lugte um die Ecke. Flynn stand dicht hinter mir. Zwei Bastinados hatten das Mädchen, das von Joe weggeschickt worden war, an eine Mauer gedrängt. Ihre Bluse lag in Fetzen auf dem Boden, und sie hatte die Arme um sich geschlungen, während sie vor Entsetzen ganz starr dastand. Das Mädchen, das bei Joe so getan hatte, als wäre es eine Frau, wirkte jetzt gar nicht mehr so erwachsen.
»Lassen Sie mich das erledigen«, sagte ich leise zu Flynn. »Ich muss Ihnen was zeigen. Wenn Sie sich einmischen, nehme ich Sie nie wieder in die Barrows mit.« Es war an der Zeit, dass er eine weitere Lektion über die Welt der Jägerin erhielt.
»Ich soll hier stehen und zugucken, wie Sie umgebracht werden?« In Flynns Stimme schwang ein gefährlicher Unterton mit.
Ich legte meine Hand auf seine Brust. »Bitte. Ich weiß, was ich tue.«
Wieder fuhr ein schwerer Laster vorbei und übertönte das Geräusch meiner Schritte. Ich rückte schnell vor. Die sadistischen Mistkerle standen mit dem Rücken zu mir, und obwohl sie ihre farbigen Tücher, Ketten und Messer trugen, hatten sie wegen der Hitze ansonsten nur T-Shirt und Jeans an. Pistolen waren keine zu sehen, was aber nicht bedeutete, dass sie keine dabeihatten. Ich würde sie schnell erledigen müssen. Der eine war etwa so groß wie ich, der andere vielleicht fünfzehn Zentimeter größer.
Ich ballte meine Hand zur Faust, holte aus und versetzte dem Größeren einen Hieb gegen die Niere. Ich schlug so hart zu, dass ich hörte, wie die unterste Rippe unter meinen Knöcheln brach und sich in seinen Körper
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