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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Sie bei mir keine Punkte.«
    »Ich wurde leider aufgehalten.«
    »Auf einer verlassenen Insel? Einem Ort ohne Telefon? Selbst die Polizei erlaubt Ihnen einen Anruf.«
    »Und Sie glauben, ich war dort? Bei der Polizei?«
    »Keine Ahnung. Ist mir auch egal.«
    »Ich hab beim Oberkellner eine Nachricht hinterlassen. Sie konnte ich ja nicht erreichen. Sie haben mir Ihre Telefonnummer nicht gegeben«, sagte er und änderte im nächsten Atemzug den Ton. »Versammeln, versammeln, versammeln!«, befahl er. »Mehr Energie, weniger Tempo. Kommen Sie! Korrigieren Sie den Sitz!«
    Ich versammelte das Pferd unter mir, bis ich es fast auf der Stelle hielt, seine Hufe im Drei-Takt-Galopp auf den Sand stampften. »Wollen Sie es mit einer kostenlosen Reitstunde wieder wettmachen?«
    »Nichts ist kostenlos, Elle«, erwiderte er. » Tragen Sie ihn in den Schritt. Als ob Sie eine Feder absetzen.«
    Ich tat, wie befohlen – oder versuchte es zumindest –, und versagte wegen meiner Anspannung.
    »Lassen Sie ihn nicht so aus der Gangart fallen!«, brüllte Van Zandt. »Sollte Ihr Pferd auf der Vorderhand sein?«
    »Nein.«
    »Warum lassen Sie es dann zu?«
    Die Antwort lief darauf hinaus, dass ich dämlich war.
    »Noch mal! Galopp! Und mehr Energie auf den Übergang, nicht weniger!«
    Wir wiederholten die Übung immer wieder. Jedes Mal war irgendwas nicht ganz richtig, und jedes Mal war es allein mein Fehler. Schweiß sammelte sich auf D’Artagnons massigem Hals. Mein T-Shirt war klatschnass. Meine Muskeln verkrampften sich. Meine Arme waren so schwer, dass sie zitterten.
    Allmählich stellte ich meine Klugheit in Frage. Ich konnte nicht den ganzen Tag auf dem Pferd bleiben, und sobald ich absaß, würde ich schlaff und kraftlos zu Boden sinken wie eine an den Strand gespülte Qualle. Van Zandt seinerseits genoss es sichtlich, mich zu bestrafen.
    »… und lassen Sie ihn in den Schritt gleiten wie eine landende Schneeflocke.«
    Wieder brachte ich das Pferd in den Schritt, hielt den Atem an in Erwartung eines neuen Ausbruchs.
    »Besser«, gestand er mir widerwillig zu.
    »Genug«, sagte ich, ließ die Zügel sinken. »Wollen Sie mich umbringen?«
    »Warum sollte ich das tun, Elle? Wir sind doch Freunde, oder?«
    »Das dachte ich.«
    »Das dachte ich auch.«
    Vergangenheitsform. Absichtlich, nahm ich an, kein Grammatikfehler in einer Sprache, die vermutlich die dritte oder vierte auf seiner Liste war.
    »Ich habe später im Restaurant angerufen«, verkündete er. »Der Oberkellner sagte, Sie seien überhaupt nicht da gewesen.«
    »Ich war da. Sie nicht. Da bin ich wieder gegangen«, log ich. »Ich hab den Oberkellner nicht gesehen. Muss wohl gerade auf dem Klo gewesen sein.«
    Van Zandt dachte darüber nach.
    »Sie sind sehr gut«, meinte er.
    »Worin?« Ich behielt ihn im Auge, während ich D’Artagnon im Kreis führte und darauf wartete, dass sich der Atem des Wallachs beruhigte.
    »In der Dressur natürlich.«
    »Sie haben mich gerade eine halbe Stunde lang angebrüllt, einen anständigen Übergang hinzukriegen.«
    »Sie brauchen einen strengen Trainer. Sie sind zu eigensinnig.«
    »Ich brauche mich nicht beschimpfen zu lassen.«
    »Sie meinen, ich sei beleidigend? Ein Arschloch?«, fragte er mit einer Emotionslosigkeit, die verstörender war als seine üblichen Temperamentsausbrüche. »Ich glaube an Disziplin.«
    »Um mich auf meinen Platz zu verweisen?«
    Er antwortete nicht.
    »Wieso sind Sie so früh auf?«, fragte ich erneut. »Doch bestimmt nicht, um sich für gestern Abend zu entschuldigen.«
    »Ich brauche mich für nichts zu entschuldigen.«
    »So was käme Ihnen wohl nie in den Sinn. Wollten Sie zu Sean? Wegen Tino? Ist Ihre Kundin aus Virginia schon eingetroffen?«
    »Gestern Abend. Stellen Sie sich ihren Schock vor, als sie nach Hause kam und einen Einbrecher überraschte.«
    »Jemand ist in Ihr Haus eingebrochen? Das ist ja schrecklich. Wurde was gestohlen?«
    »Seltsamerweise nicht.«
    »Da haben Sie aber Glück gehabt. Sie ist doch nicht verletzt worden, oder? Erst neulich Abend habe ich in den Nachrichten einen Beitrag über ein älteres Paar gesehen, das zu Hause von zwei Haitianern mit Macheten beraubt wurde.«
    »Nein, sie wurde nicht verletzt. Der Einbrecher ist weggerannt. Lorindas Hund hat ihn über den Rasen verfolgt, kam aber nur mit einer Jacke zurück.«
    Wieder hob sich mir der Magen. Gänsehaut bedeckte meine Arme, trotz der Hitze.
    »Wo ist Ihre Pferdepflegerin?«, fragte Van Zandt und schaute zum Stall.

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